Tödliche Therapie
Land ziehen und
Aerobic-Kurse besuchen.“
„Vermutlich hat es keinen Zweck, dir vorzuschlagen,
den Beruf zu wechseln, damit du nicht noch schlimmer zugerichtet wirst?“ fragte
er versuchsweise.
„Du kannst alles vorschlagen“, sagte ich und entzog
ihm meinen Arm. „Aber du hast kein Recht, irgendwelche Ansprüche zu stellen,
und ich würde ganz schön sauer werden, solltest du versuchen, dich in meine
Angelegenheiten einzumischen.“
„Das hab ich nicht vor. Du gefällst mir besser,
wenn du nicht sauer bist. Können wir die letzte Minute vom Band löschen?“ Er
griff zögernd nach meiner Hand. Ich lachte widerstrebend und legte den Arm
wieder um seine Hüfte.
Mr. Contreras schoß in den Flur, als ich die
Haustür aufsperrte. Er hielt eine riesige Rohrzange in der Hand. Als er unsere
untergehakten Arme bemerkte, wandte er sich demonstrativ an mich und würdigte
Burgoyne keines Blickes.
„Heute abend hatten wir keine Besucher, falls Sie
wissen, was ich meine. Haben Sie sich amüsiert?“
„Ja, danke.“ Ich ließ Burgoyne los, weil ich mich
ertappt fühlte.
„Ich geh jetzt ins Bett - wollte nur sicher sein,
daß Sie gut nach Hause kommen... Vergewissern Sie sich, daß die Haustür
richtig zuschnappt, wenn Sie gehen, junger Mann. Man muß fest dran ziehen. Ich
möchte nicht, daß morgen früh der Flur voller Abfall liegt, weil die Penner im
Haus waren.“
Er musterte Burgoyne wild und schwang die Zange,
sagte harsch gute Nacht und zog sich in seine Wohnung zurück.
Burgoyne atmete erleichtert auf, und wir stiegen
die Treppe hinauf. „Ich dachte schon, er würde mit nach oben kommen.“
„Ich weiß.“ Ich lächelte kläglich, während ich die
Tür aufschloß. „Ich habe mich nicht mehr so gefühlt, seitdem ich sechzehn war
und mein Vater oben wartete.“
Ich holte zwei rote venezianische Gläser, die ich
von meiner Mutter geerbt hatte, und schenkte Brandy ein. Wir nahmen sie mit ins
Schlafzimmer, wo ich als erstes alles, was auf dem Bett lag, unbesehen auf
einen Stuhl warf. Burgoyne war entweder sehr diskret oder zu sehr mit meinen
offenkundigen Reizen beschäftigt, um das Chaos zu kommentieren. Wir legten uns
auf die zerknitterten Laken, tranken den Brandy und küßten uns, wobei ich die
Gläser nicht aus dem Auge ließ.
„Sie sind eigentlich alles, was mir meine Mutter
hinterlassen hat“, erklärte ich und stellte die Gläser neben das Bett. „Sie hat
sie in einem Koffer aus Italien geschmuggelt, dem einzigen, den sie mitnehmen
konnte, als sie weg mußte. Und ich kann an nichts anderes denken, wenn ich um
sie fürchte.“
„Ist mir recht“, murmelte er an meinem Hals. „Ich
kann sowieso nicht an zwei Dinge gleichzeitig denken.“
In der nächsten Stunde bewies er den Wert eines
profunden anatomischen Wissens, wenn man es richtig einzusetzen weiß. Meine
detektivischen Erfahrungen erwiesen sich ebenfalls als nützlich. Schließlich
schliefen wir zwischen den feuchten Laken ein.
Um drei weckte uns das Piepen von Burgoynes
Signalgeber - bei einer Patientin hatten die Wehen eingesetzt, aber ein Kollege
übernahm den Fall. Um sechs piepte seine Armbanduhr; auch ein Vorstadtdoktor
muß früh zur Arbeit. Ich schloß hinter ihm die Tür ab und legte mich wieder
ins Bett.
Um neun stand ich auf, machte ein bißchen Gymnastik
und zog meine Arbeitskluft an: Jeans, Halbschuhe, ein weites T-Shirt und den
Revolver. Ich versorgte mein Gesicht, setzte einen breitkrempigen Strohhut auf
und verließ beschwingt die Wohnung. Bevor ich nach Fabiano suchte, wollte ich
zu Lottys Praxis fahren, um mir die Schlüssel zu Malcolms Wohnung zu holen.
13 Sturm auf die Praxis
Lotty arbeitet in einem ehemaligen Laden an der
Damen Avenue. Diese Straße ist fast so lang wie die Stadt, und auf ihr entlang
zu fahren, heißt durch das Herz Chicagos zu fahren, an streng voneinander
abgegrenzten ethnischen Gemeinden vorbei - Litauern, Schwarzen, Hispanos,
Polen. Lottys Praxis liegt an einem verschlafenen Abschnitt der langen Straße,
in einer ruhigen Gegend, wo sich kleine Läden mit Häusern abwechseln, die alle
mit dem Verfall kämpfen. Dort leben überwiegend Rentner, die ihre baufälligen
Häuschen mit dem Geld von der Sozialhilfe zu bewahren suchen. Gewaltverbrechen
sind sehr selten, und für gewöhnlich gibt es genügend Parkmöglichkeiten am
Straßenrand. Nicht so heute.
Ein Polizeiauto mit eingeschaltetem Blaulicht
versperrte die Kreuzung, an der ich rechts abbiegen wollte. Dahinter konnte
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