Toedliche Traeume
Mein Sohn ist jetzt fünfzehn, und an ihm ist zurzeit nichts Liebenswertes. Ich hoffe, dass er sich spätestens in sechs Jahren wieder in ein menschliches Wesen zurückverwandelt. Halten Sie das für möglich?«
»Don ist ein ganz normaler Teenager. Das wird schon werden.« Sophie rieb sich die Augen; sie fühlten sich an, als wären sie voller Sand. Es war kurz vor fünf, und die Schlafstudie würde bald beendet sein. Dann würde sie schnell die wichtigsten Dinge erledigen und anschließend versuchen, selbst ein paar Stunden Schlaf zu finden, ehe sie mit der einstündigen Untersuchung der kleinen Cartwright begann. »Und als Sie ihn letzte Woche mit hergebracht haben, hat er mir angeboten, meinen Wagen zu waschen.«
»Wahrscheinlich, weil er ihn stehlen wollte.« Kathy seufzte. »Aber vielleicht wollte er Sie auch beeindrucken. Er findet, dass Sie scharf aussehen.«
»Ja, sicher.« Im Moment kam Sophie sich eher wie eine alte, runzelige Hexe vor. Sie beugte sich wieder über ihre Tabelle und überflog Elspeths Krankenblatt. Sie hatte gegen 1:00 Uhr einen Atemstillstand gehabt, aber seitdem nicht mehr. Wenn sie nur irgendetwas finden könnte, was der Kleinen helfen würde – »Am Schwesterntresen wurde eine Nachricht für Sie hinterlassen«, sagte Kathy.
Sophie zuckte zusammen. »Von zu Hause?«
Kathy schüttelte hastig den Kopf. »O Gott, nein. Tut mir leid, ich wollte Sie nicht erschrecken. Das war wirklich gedankenlos von mir. Die Nachricht wurde während des Schichtwechsels um sieben hinterlassen, und man hat vergessen, Sie zu informieren.« Sie zögerte. »Wie geht es Michael?«
»Manchmal schlimm, manchmal gut.« Sophie lächelte. »Aber er ist immer wunderbar.«
Kathy nickte. »Ja, das stimmt.«
»Aber in fünf Jahren werde ich mir wahrscheinlich genauso die Haare raufen wie Sie.« Sie wechselte das Thema. »Von wem stammt denn die Nachricht?«
»Schon wieder von Gerald Kennett. Wollen Sie ihn nicht endlich zurückrufen?«
»Nein.« Sie vertiefte sich wieder in Elspeths Krankengeschichte. Allergien?
»Sophie, es würde doch nicht schaden, mal mit ihm zu reden. Er hat Ihnen einen Job angeboten, bei dem Sie in einem Monat mehr verdienen würden als hier an der Uni-Klinik in einem ganzen Jahr. Und so hartnäckig, wie der ist, würde er Ihnen womöglich sogar noch mehr bezahlen. Ich würde mir das nicht entgehen lassen.«
»Dann rufen Sie ihn doch an. Ich mag meine Arbeit hier und die Leute, mit denen ich zusammenarbeite. Ich habe keine Lust, mich von einer Pharmafirma abhängig zu machen.«
»Aber Sie haben doch schon mal für eine Pharmafirma gearbeitet.«
»Ja, nachdem ich gerade mein Studium abgeschlossen hatte. Es war ein großer Fehler. Ich dachte, die würden mich freistellen, damit ich mich ganz der Forschung widmen kann. Aber daraus wurde nichts. Also verlege ich mich lieber darauf, die Forschung in meiner Freizeit zu betreiben.« Sie machte einen Kringel um ein Medikament auf Elspeths Krankenblatt. »Und bei meiner Arbeit mit den Patienten hier habe ich mehr gelernt, als ich je in einem Labor lernen könnte.«
»Wie bei Elspeth.« Kathy betrachtete immer noch das Baby. »Sie bewegt sich.«
»Ja, sie ist seit fünf Minuten in der NREM-Phase. Sie wird gleich aufwachen.« Sophia legte das Krankenblatt weg und ging zu der Tür, die ins Testlabor führte. »Ich muss die Kabel entfernen, ehe sie ganz wach ist. Außerdem möchte ich nicht, dass sie sich fürchtet, wenn sie aufwacht und feststellt, dass sie allein ist.«
»Wann kommt denn die Mutter?«
»Um sechs.«
»Das ist gegen die Vorschrift. Eltern müssen ihre Kinder pünktlich am Ende des Schlaftests abholen, und dieser endet um halb sechs.«
»Die Vorschriften sind mir schnuppe. Immerhin sorgt sie sich so sehr um ihr Kind, dass sie diese Tests durchführen lässt. Es macht mir nichts aus, solange bei der Kleinen zu bleiben.«
»Ich weiß«, sagte Kathy. »Aber wenn Sie nicht aufhören, sich zu überlasten, sind Sie bald diejenige, die sich mit nächtlichen Angstanfällen rumplagt.«
Sophie kreuzte die Finger, um Dämonen abzuwehren. »Bitte, kein Wort darüber. Schicken Sie Elspeths Mutter her, sobald sie kommt, okay?«
Kathy lachte in sich hinein. »Da hab ich Ihnen aber einen Schrecken eingejagt, was?«
»Ja, das haben Sie. Es gibt nichts Schlimmeres als diese Angstattacken mitten im Schlaf. Und glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede.« Sie ging zu Elspeth ins Zimmer und trat an das Bettchen. Sie brauchte nur wenige
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