Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
Ärztinnen mit dazu, denn ich habe keine Ahnung, wie Frau Markov darauf reagieren wird, dass sie Laras Mörder in Eisners Büro Auge in Auge gegenüberstand.«
»Mit einer geladenen Waffe in der Hand«, ergänzte Sabine mitfühlend. »Eine traurige Ironie.«
Hellmer raschelte mit einem vollgekritzelten Papierbogen, den er schon die ganze Zeit über in den Händen hielt. »Okay«, begann er nach einem prüfenden Blick in die Runde, »als Nächstes hätte ich nun die Ergebnisse der KTU. Die Kollegen sind noch immer am Werk und werden Drechslers Wohnwagen bis ins Letzte auseinandernehmen. Aber das bisherige Material ist schon recht umfassend. Er hat die Identitäten von Hubert Brack und Arthur Drechsler in zwei Schuhkartons gehalten, einer davon mit Reisepass und einem Batzen Bargeld, natürlich ausgestellt auf den Namen Brack. Im Drechsler-Karton waren ein paar alte Schätze seines glamourösen Lebens, eine teure Uhr, der Zweitschlüssel zu seinem Maserati, einige Fotos – solcher Kram eben. Das Persönlichste war eine Aufnahme von ihm und seiner Mutter«, seufzte Hellmer. »Wenn er nicht so ein kaltblütiges Schwein wäre, könnte man fast Mitleid kriegen.«
»Sein Schicksal war ja auch tragisch«, warf Sabine ein, »völlig unabhängig von dem, was er daraus gemacht hat.«
»Es rechtfertigt aber nichts«, kommentierte Kullmer.
»Nein, sicher nicht. Aber noch mal zu diesem Brack.« Sabine runzelte die Stirn. »War das eine Scheinidentität oder der echte Name dieses Obdachlosen?«
»Letzteres«, antwortete Hellmer. »Über Hubert Brack gibt es kaum Aufzeichnungen, das meiste von ihm wissen wir erst, seit er sich beim Arbeitsamt meldete und Sozialleistungen einforderte. Aber da steckte Drechsler ja schon in seiner Haut.«
»Ziemlich kaltschnäuzig«, brummte Kullmer.
»Ja, aber wer vermisst schon einen Penner?«, erwiderte Julia. »Schätzungsweise hat er eine Weile gewartet, abgecheckt, ob die Sache Wellen schlägt, und sich dann die Identität geklaut. Einfacher, als eine völlig neue aufzubauen, und vor allem sicherer. Spätestens bei der Abflugkontrolle hätte ihm eine erfundene Identität das Genick brechen können.«
»Was er dann lieber bei dir versucht hat«, stichelte Hellmer.
»Erinnere mich bloß nicht daran«, stöhnte Julia und rieb sich den Nacken, der unter einem dicken Wollschal verborgen lag.
Peter Kullmer kratzte sich nachdenklich am Kinn. »Wenn ich das nun alles überdenke«, sagte er langsam, »hat dieser Drechsler seinen Rachefeldzug bis ins letzte Detail geplant. Der eine oder andere Zufall ist ihm da zu Hilfe gekommen, aber letzten Endes sah er sich wohl tatsächlich als Raubtier auf der Jagd.«
»Wenn ich nicht so gaga gewesen wäre, hätte ich ihn am liebsten gefragt, ob er sich selbst eher als Faultier oder Jaguar sieht«, sagte Julia mit einem matten Lächeln. »Fakt ist, dass sein Schweigen ihm nichts bringen wird. Das Geständnis mir gegenüber ist zwar für sich alleine betrachtet nicht allzu viel wert, weil es keine Zeugen gab, aber die Indizien sind eindeutig.«
»Richtig«, pflichtete Hellmer bei. »Die Entwürfe für die E-Mails an Schumann, die Vorlage des Flyers – es ist alles da. Er hat Informationen wie das Tatortfoto nicht nur in den einschlägigen Kreisen gestreut, er hat auch alles fein säuberlich gesammelt. So wie andere ein Familienalbum führen, wahrscheinlich wollte er sich in Südamerika für den Rest seines Lebens daran aufgeilen. In seinem Wohnwagen konnte er das tun, da hat er sich offenbar sicher gefühlt, ganz im Gegensatz zur Wohnung, in der er als Brack lebte. Dort ist nicht der geringste Anhaltspunkt für sein Doppelleben zu finden gewesen.«
»Das dachte ich mir«, nickte Julia. »Er hat seine beiden Rollen perfekt gespielt. Von den günstigen Umständen, die ihm sein Verschwinden damals so leichtgemacht haben, einmal abgesehen, hat er mit absoluter Detailtreue sein Licht-und-Schatten-Dasein ausgelebt und voneinander getrennt.«
»Wir können ihn aber wohl kaum als gespaltene Persönlichkeit bezeichnen, oder?«, überlegte Sabine laut. »Sogar eher im Gegenteil. Wir haben zwei reale Personen, die von ein und demselben Charakter gespielt wurden, und nicht umgekehrt, wo eine Person in zwei Charaktere schlüpft. Richtig? Das sollten wir diesem Dr. Schultheiß mal auftischen.«
»Tu dir keinen Zwang an«, zwinkerte Julia ihr verschwörerisch zu.
»Wir müssen uns dennoch auf eine ziemlich starke Welle gefasst machen«, gab Berger zu bedenken.
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