Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
klickendem Einrasten der Schnallen, »nun wird es Zeit zum Abtreten.« Julia erstarrte, denn als Drechsler sich erhob, fiel ihr Blick auf die Rasierklinge, die noch immer neben der Spüle lag.
»Machen Sie keinen Scheiß«, sagte sie.
»Wieso nicht? Man wird Sie hier nicht so schnell finden, glauben Sie mir. Vor ein paar Jahren ist hier ein Mann abgestochen worden, auch im Winter, der hat weiß Gott wie lange in seinem Verschlag gelegen, bevor man ihn zufällig entdeckt hat.«
»Mag sein, aber wenn Sie eine Polizistin umbringen, schlagen Sie einen Weg ein, von dem es kein Zurück gibt.«
»Heißt das, ihr seid bessere Menschen als alle anderen?«
Drechsler zog zwei Stofftaschentücher hervor und schüttelte diese auseinander. Anschließend legte er eines auf das andere und rollte beide fest zusammen.
»Unsinn«, wehrte Julia ab. »Aber wenn es einen Kollegen erwischt, setzt sich der gesamte Polizeiapparat in Bewegung. Gnadenlos, denn dann hat das für jeden Beamten eine persönliche Dimension.«
»Persönlich ist gut«, sagte Drechsler grimmig. »Das ist es für mich auch.« Er knickte die Stoffrolle in der Mitte und holte unter dem Tisch eine Rolle silbernes Klebeband hervor. Dann trat er an Julia heran und warf ihr einen mitleidigen Blick zu. »Bedaure, aber hier endet unser Gespräch. Ich kann einfach kein Risiko eingehen, das müssen Sie verstehen. Machen Sie den Mund freiwillig auf, oder muss ich nachhelfen?«
Julia presste Zähne und Lippen fest aufeinander und wandte den Kopf zur Seite.
»Na gut, dann eben auf die harte Tour.« Sekunden später bohrten sich von unten her zwei Finger schmerzend in ihre Backen und drückten gleichzeitig ihren Kopf nach hinten. Stöhnend ließ ihre Muskelkraft nach, und der Kiefer klappte nach unten, im Inneren des Mundes schmeckte es plötzlich nach Blut, und unmittelbar darauf schob Drechsler ihr das Stoffknäuel hinein. Mit flinken Fingern fixierte er einen Streifen Klebeband über Julias Mund, wütend warf die Kommissarin ihren Kopf hin und her und versuchte zu schreien, was jedoch in einem kläglich erstickten Ton endete.
»Geht’s wieder?«, hörte sie Drechslers Stimme, nun etwas ungeduldig. »Soll ich Ihnen ein bisschen Feuer auf dem Herd machen? Es ist Ihre Entscheidung, erfrieren werden Sie so und so nicht, denn die Heizung läuft unabhängig von der Luftzirkulation. Ich werde nicht zurückkommen, also gönnen wir uns ruhig ein wenig Verschwendung, oder? Immerhin habe ich über zwei Jahre lang fast alles entbehrt. Ach, ich denke, ich lasse den Herd brennen. Bei der Verbrennung entsteht durch die abnehmende Sauerstoffkonzentration ein wenig Kohlenmonoxid. Absolut tödlich, und Sie müssen nicht warten, bis Sie den Raum leergeatmet haben oder das Gas bis zu Ihrem hübschen Näschen gestiegen ist. So oder so, Sie werden einschlafen, aber ganz friedlich, nicht so wie die anderen, denn Sie haben mir nichts getan, und es gibt keinen Grund, warum ich Sie auf brutale Weise töten sollte. Ich bin ja kein Sadist.«
Du verdammtes Schwein, dachte Julia panisch und rang durch die Nase verzweifelt nach Luft. Drechsler öffnete klackend die Regler der vier Kochfelder und drehte sie auf volle Leistung. Rot-blaue Flammen züngelten rauschend und gleichmäßig um die schwarzen Metallauslässe. Als Drechsler seinen Mantel übergezogen hatte, knipste er die Beleuchtung aus, und das matte Leuchten des Herdes war die einzige Lichtquelle, die Julia blieb. Er warf der Kommissarin einen letzten Blick zu und stieß die Tür auf, draußen war es bereits tiefschwarze Nacht. Es klackte zweimal, als er zuerst die Tür ins Schloss drückte und kurz darauf den Schlüssel umdrehte.
Gefangen. Allein. Niemand weiß, wo du bist. Julias Gedanken rasten, Panik stieg in ihr auf.
Mit aller Kraft spannte Julia ihre Muskeln an, doch ihre Waden waren so fest an die Stuhlbeine geklebt, dass ihre Füße einzuschlafen begannen, und auch die Beine kribbelten bereits. Bitte das nicht auch noch, schoss es Julia durch den Kopf, und sie rüttelte mit den Unterarmen, doch auch hier war der Bewegungsradius massiv eingeschränkt.
Ich muss den Herd abschalten!
Wie viel Luft gibt es hier drinnen?
Die Wände des engen Wohnwagens schienen sich auf sie zuzubewegen, immer näher zu kommen, gnadenlos den wenigen Sauerstoff reduzierend, der sie umgab.
Mühsam kreiste sie mit den Händen und bekam mit dem rechten Daumen ihren Gürtel zu fassen; leichte Hoffnung keimte auf. Der Gürtel hatte eine metallene
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