Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Øystein Wiik
Vom Netzwerk:
vorbeizuschießen dadurch beträchtlich reduziert.
    »Feuer!«, rief der Sergeant. Die Schüsse dröhnten über das Eichenparkett. Der Schuss aus dem dritten Rang wurde exakt zeitgleich abgefeuert und von dem Lärm auf der Bühne verschluckt. Cavaradossi fiel, wie Tosca es ihm eingeschärft hatte.
    Offensichtlich war Tosca eine gute Lehrmeisterin, dachte Tom Hartmann, der Cavaradossis Fall aus nächster Nähe bewunderte. Und er war in der Tat überzeugend. Als das Blut wie eine Fontäne aus seinem Hals schoss, reagierte das Publikum mit Bewunderung und Lachen. Was für ein Effekt! Alles wirkte so unglaublich natürlich. Und war die Panik in Medinas Blick nicht ein Beweis für seine ausgesuchten schauspielerischen Fähigkeiten?
    Medina erhob sich, verzweifelt wie ein waidwund geschossenes Tier. Er drückte eine Hand an die Kehle und taumelte auf den Orchestergraben zu. Das Publikum applaudierte. Ein solches Einfühlungsvermögen hatte es bei einem Künstler der norwegischen Oper noch nie erlebt. Dann löste sich Medinas Hand von seinem Hals. Warmes Blut pumpte aus der offenen Wunde und spritzte Poikonen ins Gesicht.
    »Satan!«, schrie Poikonen. »Bist du wahnsinnig?« Er wischte sich verzweifelt über die Augen. Aber das warme, zähe Blut machte ihn blind. Er spuckte aus. »Du perverses Schwein!«
    Ava stürzte herbei. Sie schrie laut und hemmungslos. Ein Schrei voller Todesangst. »Sie haben ihn umgebracht! Sie haben James Medina umgebracht!«
    Zwei Männer des Sicherheitsdienstes sprangen auf die Bühne. Der eine richtete seine Pistole auf das Publikum, während der andere zu Medina lief. Er drückte den Daumen in die klaffende Wunde an Medinas Hals, um die Blutung zu stoppen.
    Im Zuschauerraum löste dieser Auftritt Panik aus. »Ein Terroranschlag!«, rief eine ältere Dame mit Nerzkragen.
    Der Mann im dritten Rang tippte eine Nummer in sein Handy und löste so eine Sprengladung im Server-Raum im Keller der Oper aus. Auf der Bühne wurde es stockdunkel. Der Mann lächelte zufrieden. Die Detonation hatte das interne Netzwerk, das die Bühnenbeleuchtung steuerte, lahmgelegt.
    »Licht! Licht im Saal!« Eine eindringliche Stimme übertönte den anschwellenden Lärm der Menge.
    Dann setzte das Publikum sich in Bewegung. Das Scharren unzähliger Füße klang wie dröhnender Hufschlag auf trockenem Savannenboden, so als wäre eine Herde Gnus auf der Flucht.
    »Licht! Verdammt noch mal, macht das Licht an!«
    Nichts geschah.
    Der Mann im dritten Rang nickte zufrieden. Die Explosion hatte allem Anschein nach nicht nur die Steuerung der Bühnenbeleuchtung zerstört. Er tippte einen weiteren Code in sein Handy und flehte im Stillen, dass er das richtige der zwölf internen, voneinander unabhängigen Netzwerke gewählt hatte, das die Notbeleuchtungen in den unterschiedlichen Teilen des Gebäudes steuerte. Die grünen Exit-Schilder verloschen. Manöver erfolgreich.
    Todesangst verbreitete sich wie eine metallische Dissonanz über Orchester und Zuschauerraum. Von einem Augenblick zum nächsten wurde aus dem kultivierten Publikum ein chaotisches Durcheinander aus wild fuchtelnden Armen und Beinen. Die wogende Menschenmenge schien von einem einzigen Gedanken beseelt zu sein: Flucht!
    Hier und da flammten einzelne Feuerzeuge auf. Eines davon löste die endgültige Katastrophe aus.
    Ein Mann, der im spärlichen Licht der Flamme hilflos nach Orientierung suchte, erhielt einen Stoß von hinten, die Hand mit dem Feuerzeug schlug nach vorne, geradewegs auf den Kopf einer Frau, die verzweifelt vor ihm nach vorne gedrängt war. Ihr Haar fing schlagartig Feuer. Im Schein der Flammen sah man die angstverzerrten Gesichter der Umstehenden, als die Frau sich panisch an den Kopf griff, ihre Perücke hochriss und sie, einem Reflex folgend, von sich schleuderte. Noch im Flug entzündete der Feuerball einen Chiffonschal und dann eine Viskosejacke. Jetzt brach das Chaos vollends aus. Um die lichterloh brennende Perücke wegzuschlagen, wedelten die Leute immer hektischer mit den Armen und brachten die Flammen damit erst richtig in Fahrt.
    Schmerzensschreie übertönten das zischende Geräusch schmelzender Stoffe und mischten sich mit dem Weinen und den Angstschreien der zu Boden Gegangenen, die von den Nachfolgenden überrannt wurden. Dann war das Klatschen von Fäusten zu hören, als jemand versuchte, sich einen Weg durch die heulende und kreischende Menge zu bahnen, so als könne nur der Stärkste überleben. Brutalität verdrängte jede gute

Weitere Kostenlose Bücher