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Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Øystein Wiik
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Erziehung und löste in diesem Tempel der Kunst ein Chaos ohnegleichen aus.
    Auch Tom Hartmann kämpfte um sein Leben. Der Rauch brannte in seinen Lungen, und doch versuchte er, sich nicht von der Panik anstecken zu lassen. Selbst in der Gesellschaft der norwegischen High Society bei lebendigem Leib gegrillt zu werden, erschien ihm alles andere als verlockend. Er sah sich um. Sich durch die Bankreihe zu kämpfen, war ein eindeutig hoffnungsloses Unterfangen. In beiden Richtungen bildeten die kämpfenden Körper einen lebenden Pfropf. Aber im Lichtschein des sich immer stärker ausbreitenden Feuers entdeckte er in Richtung Bühne eine Lücke im Strom der rücksichtslos vorwärtsdrängenden Individuen.
    Er hatte in der Mitte der Reihe gesessen. Vor ihm, in Richtung Bühne, bewegte sich die eine Hälfte der Zuschauer nach links, die andere nach rechts. Die Schneise verlief ungleichmäßig wie ein nachlässig gekämmter Scheitel, doch sie eröffnete einen Weg, den Weg des geringsten Widerstandes. Umständlich kletterte er über die erste der fünf Bankreihen vor sich. Es konnte gehen. Die Frau, die neben ihm gesessen hatte, folgte seinem Beispiel.
    Inmitten des Chaos fühlte Tom sich merkwürdig ruhig, so als hätten seine Sinne sich an einen Punkt in seinem Innern zurückgezogen, über den er die volle Kontrolle hatte, einen Punkt, an dem Ruhe und Überblick herrschten und an dem klares Denken möglich war.
    Jemand zerrte an seiner Jacke. Er fuhr herum, um sich loszureißen. Es war die Frau, die neben Tom gesessen hatte und die sich nun Hilfe suchend an ihn klammerte. Durch den Rauch sah er ihre ängstlich aufgerissenen Augen. Tom war nie ein Held gewesen. Und so war es weniger eine rationale, sondern eine instinktive Handlung, als er die Hand ausstreckte. »Kommen Sie!« Sie griff mit der Kraft einer Ertrinkenden nach der Hand ihres Retters, einer Kraft, die beide in die Tiefe ziehen, beide das Leben kosten konnte. Tom zog sie bei seinem Hindernislauf über die Stuhlreihen hinter sich her. Der Orchestergraben schien noch unendlich weit vor ihnen zu liegen, als er das Warnsignal des eisernen Vorhangs hörte, der sich mahlend in Bewegung setzte. Wenn er es nicht auf die Bühne und hinter den eisernen Vorhang schaffte, ehe dieser die Welt in zwei Hälften teilte, hatte er wahrscheinlich keine Überlebenschance.
    Die Rauchentwicklung war enorm, er stolperte blind vorwärts, wurde umgerissen und schlug mit dem Kiefer auf eine Stuhlkante. Sein Schädel brummte, und die Zähne taten weh. Die Frau hinter ihm hatte ihn nicht losgelassen. Er hievte sich an der Lehne hoch und zog sie mit sich, während der Vorhang sich unerbittlich dem Bühnenboden näherte. Sie hatten jetzt den Orchestergraben erreicht. Tom riss sich von der Frau los, griff nach dem Gitter, das den Orchestergraben bedeckte, und zog sich nach oben auf die Bühne. Dann drehte er sich um und half ihr hinauf. Der Qualm war jetzt so dicht, dass sie nur tastend vorankamen, Meter für Meter. Es war unmöglich zu sagen, wie weit der eiserne Vorhang bereits heruntergekommen war. Sie mussten zwischen zwei Übeln wählen: dem Risiko, in zwei Teile zerschnitten oder wie auf einem Scheiterhaufen verbrannt zu werden.
    »Runter!«, rief Tom, als sein Körper gegen den eisernen Vorhang stieß. Er warf sich zu Boden und robbte durch den immer schmaler werdenden Spalt. Schon spürte er die Kante an seinen Wirbeln und mutmaßte, dass er verloren war. Das war’s! Er konnte seine Begleiterin nirgends sehen. Verzweifelt streckte er die Arme vor und bekam etwas zu fassen, das sich wie ein Element des Bühnenbildes anfühlte. Er riss es zu sich und schob es unter den eisernen Vorhang, in der Hoffnung, dessen gnadenloses Zu-Boden-Sinken für einen Moment aufhalten zu können. Es knackte, und der Vorhang blieb einen Herzschlag lang stehen, gerade lang genug, dass Tom sich in den Bühnenraum ziehen konnte. Dann hörte er das Knacken von Knochen und einen Schrei, der ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Es war die Stimme eines älteren Mannes, der das gleiche Manöver wie er versucht hatte. Dann abruptes Schweigen. Der eiserne Vorhang hatte sich mit einer fließenden Bewegung durch den Körper des Mannes geschnitten.
    Tom Hartmann schnappte nach Luft. Plötzlich war der Tumult des kämpfenden Tieres im Zuschauerraum nur noch als ferner Ton aus einer andern Wirklichkeit zu hören. Über ihm tanzten die Lichtkegel von Taschenlampen, und er hörte die aufgeregten Stimmen der

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