Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Toedlicher Blick

Titel: Toedlicher Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
Vom Netzwerk:
korrigierten Willis-Bilder bekommen. Wenn du sie o.k. findest, schicken wir sie los.«
    Lucas nahm ihr eines der Bilder aus der Hand. Der Polizeizeichner hatte Willis’ Gesichtszüge stark generalisiert, den Buzzcut betont und den langen Mantel darunter montiert. »Gut«, sagte Lucas. »Schickt sie los.«
    Terry Marshall war zehn oder fünfzehn Jahre älter als Lucas, Mitte fünfzig oder Anfang sechzig. Er hatte ein hageres, wettergegerbtes Gesicht, braunes Haar mit grauen Strähnen und einen Bürstenschnurrbart. Er trug eine Brille mit Stahlgestell, die einem anderen Männertyp Ähnlichkeit mit John Lennon verliehen hätte. Marshall aber sah keinesfalls wie John Lennon aus – eher wie ein Wolf, der John Lennon aufgefressen hatte. Er saß auf Lucas’ Besucherstuhl und las Zeitung. Als Lucas hereinkam, stand er auf und sagte: »Das Mädchen draußen hat gesagt, ich solle hier warten.«
    Sein wölfisches Aussehen stand im Gegensatz zu seiner leichten Verlegenheit. Lucas sagte: »Das geht in Ordnung, falls Sie nicht meine Schubladen durchwühlt haben.«
    Marshall grinste: »Ich würd’s niemals zugeben, wenn ich’s getan hätte … Ist das Mädchen da draußen Ihre Sekretärin oder so was? Sie kommandiert die Leute rum.«
    »Sie ist ein Cop«, sagte Lucas. »Und sie hält die Sache in Schwung.«
    »Aha.« Marshall setzte sich wieder hin, nachdem Lucas hinter seinem Schreibtisch Platz genommen hatte. »Ich meinte, sie wirkt irgendwie …« Er brach ab, sah verwirrt drein.
    »Was?«
    »Sie würde irgendwie … den Eindruck machen, als ob sie krank wär’ oder so was.«
    »Im vergangenen Herbst hatten wir es mit einem Mann zu tun, der mit einem Gewehr auf verschiedene Leute schoss. Wir haben ihn in einer Tankstelle gestellt – die Sache kam ganz groß im Fernsehen.«
    »Ich erinnere mich daran«, sagte Marshall.
    »Bevor wir ihn festgenommen haben, hat er mit einer Jagdflinte auf Marcy geschossen. Aus fünfzehn Metern, zwischen die Rippen. Als sie schon zu Boden gegangen war, hat sie noch ein paar Revolverkugeln in sein Auto gejagt – dadurch konnten wir den Wagen identifizieren und den Täter überführen. Sie war verdammt schwer verletzt.«
    »Mein Gott …« Marshall lehnte sich vor und sah durch die Glasscheibe in der Verbindungstür zu Marcy hinüber. »Wird sie wieder ganz gesund?« In seiner Stimme schwang echte Besorgnis mit, und Lucas fand das sympathisch.
    »Wird noch eine Weile dauern. Sie ist aber bereits wieder voller Energie, deshalb haben wir sie aus dem Krankenurlaub geholt.«
    »Ich habe nie eine Kugel abgekriegt.« Marshall dachte einen Moment über seine Aussage nach, und Lucas wurde ein wenig ungeduldig, fragte: »Also, was führt Sie zu mir?«
    »Ach so, ja …« Marshall hatte eine abgewetzte Ledertasche neben seinen Füßen stehen; er hob sie hoch, kramte darin herum, zog dann einen Aktenhefter heraus. »Diese Akte ist für Sie. Vor neun Jahren ist bei uns ein junges Mädchen – neunzehn Jahre alt – verschwunden. Ihr Name war Laura Winton. Wir konnten nicht rausfinden, was mit ihr passiert war, aber wir glauben, dass sie stranguliert oder erstickt worden ist und der Mörder die Leiche dann irgendwo an einem einsamen Ort verschwinden ließ. Wir konnten den Täter aber nicht finden.«
    »Sie meinen …«
    »Der Kerl muss ziemlich clever sein«, fuhr Marshall fort. »Eine Woche vor dem Mord fing er an, sich mit dem Mädchen zu treffen. Er brachte sie am Weihnachtstag um, während der Weihnachtsferien an der Universität. Sie wohnte in einer Straße mit alten Häusern, die man in Appartements aufgeteilt hatte, für Studenten, die auf dem Campus keine Wohnung gefunden haben … Sie wissen wahrscheinlich, wie so was aussieht.«
    »Ja, ich habe als Student selbst mal in so einer Siedlung gewohnt.«
    Marshall nickte. »Jedenfalls hatte er eine Woche vor dem Mord angefangen, sich mit ihr zu treffen, aber keine einzige ihrer Mitbewohnerinnen hat ihn je zu Gesicht bekommen. Er hat sie ermordet, als alle anderen Mädchen weg waren – sie hatte drei Mitbewohnerinnen, und alle drei waren über Weihnachten nach Hause gefahren.«
    »Und warum ist sie nicht auch nach Hause gefahren?«
    »Weil sie aus unserer Stadt stammte«, sagte Marshall. »Sie war die ältere von zwei Schwestern und hatte auch noch zwei jüngere Brüder; als sie zu Hause auszog und zur Uni ging, übernahm die Schwester ihr Zimmer. Es hätte zu viel Aufwand gemacht, wenn sie über Nacht im Elternhaus geblieben wäre, und ihr eigenes

Weitere Kostenlose Bücher