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Toedlicher Blick

Titel: Toedlicher Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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Appartement war ja nur ein paar Kilometer entfernt. Sie fuhr also am Weihnachtstag morgens zu den Eltern, nahm an der Bescherung und dem Mittagessen teil und fuhr dann zurück zu ihrem Appartement. Und soweit wir wissen, hat sie dann niemand mehr gesehen – bis auf den Mörder.«
    Lucas lehnte sich zurück. »Warum glauben Sie, das Mädchen sei stranguliert worden?«
    Marshalls Adamsapfel zuckte plötzlich auf und ab, und er sah hinunter auf seine Hände. Als er wieder hochschaute, stand ein Ausdruck von kalter Härte in seinen Augen. Terry Marshall konnte, wenn es darauf ankam, hart zu anderen sein, vielleicht sogar bösartig, dachte Lucas; eine Eigenschaft, die man bei altgedienten Sheriff-Deputys häufig antraf, häufiger sogar als bei abgebrühten Cops in den großen Städten. »Als sie verschwand … gab es keinen Grund zu der Annahme, sie hätte sich einfach irgendwohin abgesetzt. Sie hinterließ keine Nachricht; sie wollte am nächsten Tag wieder zu den Eltern fahren. Sie war anscheinend gerade dabei, ihre Wäsche für die Wäscherei herzurichten, als der Killer auftauchte.«
    »Wenn es einen Killer gab, muss man ja wohl sagen …«
    Marshall wurde rot, senkte den Kopf. »O doch, es gab ihn. Wir hatten ein Spurensicherungsteam eingesetzt. Man hat nichts Auffälliges gefunden, keine Blutlachen oder so was, keine Anzeichen für Gewaltanwendung, bis auf … Sie hatte einen alten Orientteppich, und in seinen Fasern hat man Fingernägel von ihr gefunden.«
    »Fingernägel?«
    »Ja, drei Stück. Sie hat vermutlich versucht, sich in Panik von dem Killer zu entfernen, und dabei die Finger in den Teppich gekrallt. Dabei wurden die Fingernägel abgerissen. An einem klebte frisches Blut, und die Untersuchung ergab, dass es von ihr stammte.«
    Lucas dachte einen Moment nach, sagte dann: »Ich verstehe. Eine Strangulation.«
    Marshall nickte. »Wenn man sich das überlegt, passt es zusammen … Und sie ging zu der Zeit mit einem Mann, den ihre Mitbewohnerinnen ›Künstlertyp‹ nannten.«
    Lucas beugte sich noch weiter vor. »Künstler?«
    »Ja. Sie hat ihn im Verbindungshaus der Uni getroffen. Besser gesagt, er muss sie dort aufgegabelt haben. Er sagte ihr, er sei Kunststudent und heiße Tom Lang oder Tom Lane – wir konnten es nachher nicht mehr genau rausfinden. Sie traf sich ein paarmal mit dem Mann in der Stadt, und die anderen Hausbewohnerinnen hänselten sie und fragten, wie er denn aussehe; wahrscheinlich sei er dick und hässlich, solche Sachen. Sie sagte, er sei attraktiv, blond, schlank und nicht sehr groß. Einem der Mädchen sagte sie, er würde einem Filmstar ähnlich sehen.«
    »Doch nicht etwa Bruce Willis?«
    Marshall schüttelte verwundert den Kopf. »Nein, nein. Wie ein Typ mit Namen Edward Fox. Er spielte den Bösewicht in dem Film ›Der Schakal‹.«
    »Den Killer? Den Mann, der versuchte, Charles de Gaulle zu erschießen?«
    »Ja, den. Ich habe mir den Film inzwischen mindestens hundertmal angesehen. Und sie sagte, ihr neuer Freund hätte ein Motorrad.«
    »Ein Motorrad …«
    »Ja. Und das war dann auch schon alles, was wir über ihn herauskriegten.«
    »Hat er mal eine Zeichnung von ihr gemacht oder so was?«, fragte Lucas.
    »Nein, hat er nicht, soweit wir wissen.«
    »Irgendwelche sonstigen Erkenntnisse der Spurenermittler?«
    »Nein. Nur die Fingernägel.«
    Marshall rutschte schon seit ein paar Minuten unruhig auf seinem Stuhl hin und her, und Lucas beobachtete ihn neugierig.
    »Haben Sie das Mädchen gekannt?«
    »Ja, ja, sie war meine Nichte. Die Tochter meiner Schwester. Sie war für mich wie eine eigene Tochter – meine Frau und ich haben keine Kinder, und ich …« Er brach unvermittelt ab, schüttelte den Kopf. Ihr Bild ist vor sein geistiges Auge getreten, dachte Lucas.
    »Mein Gott … tut mir Leid«, sagte er.
    »Nun ja …« Marshall kehrte zurück in die Realität. »Ich hoffe nur, dass ich nicht völlig daneben liege. Als ich diese Sendung gestern Abend im TV sah, gab es keinen einzigen Hinweis, der
nicht
nach unserem Killer klang.«
    Lucas lehnte sich wieder zurück. »Tut mir Leid, aber wir haben gestern Abend einen Mann aufgetrieben, der den Täter wahrscheinlich zu Gesicht bekommen hat – und er sagt, er würde wie Bruce Willis aussehen. Stämmig, dunkler Typ, Bürstenhaarschnitt. Wir glauben, dass er Aronson in einem Restaurant aufgegabelt hat, so ähnlich wie Ihr Mann sich im Studenten-Verbindungshaus an Ihre Nichte rangemacht hat … Einen Moment mal bitte.«
    Lucas ging

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