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Toedlicher Blick

Titel: Toedlicher Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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seine Möbel verkaufen, seine Teppiche, seine Weinvorräte. Würde seine Lebensversicherung kassieren, so scheußlich der Gedanke auch war, und sich ein schönes Leben davon machen. Er sah alles ganz deutlich vor sich, wie eine Vision: Sie macht eine Bestandsliste seiner Habe, seine Kleidung wandert in den Müll – in den Müll! –, und dann werden die Möbel auf Lastwagen davongekarrt, vielleicht sogar auf Pick-ups.
    Die Welle des Zorns schwoll an, und er stemmte sich aus dem Sessel und lief in die Küche. Schluchzte. Schlug mit der Faust in die andere Handfläche, steckte dann die Knöchel in den Mund und biss zu, bis er spürte, dass seine Zähne die Haut durchdrangen … Sie würde es als Sieg betrachten: Sie hatte ihn überlebt.
    Ach was, sollte sie doch zum Teufel gehen. »Ich scheiße auf dich«, schrie er den Wänden entgegen. »Ich scheiße auf dich!«
    Was aber sollte er tun? Er setzte sich an den Tisch, starrte die Cornflakes-Schachtel an. Es hatte ihm Freude gemacht, die Bilder zu zeichnen, und er hatte von Anfang an gewusst, dass er Schwierigkeiten bekam, wenn er sie Frauen zuschickte und Gefahr lief, entdeckt zu werden. Doch er war vorsichtig gewesen. Einige Bilder waren noch in seinem Computer an der Uni gespeichert, aber die konnte er leicht löschen.
    Er seufzte, beruhigte sich. Die Dinge waren nicht außer Kontrolle. Noch nicht. Er musste jedoch tätig werden, alle nur denkbaren Spuren beseitigen, für den Fall des Falles.
    Seine Gedanken wanderten zurück zu seiner Mutter. Miststück. Er konnte nicht glauben, dass sie tatsächlich Freude empfinden würde, wenn sie von seinem Selbstmord hörte. Wollte es nicht glauben. Aber es gab keinen Zweifel – seine Vision enthielt den unverwechselbaren Geruch der Wahrheit. Sie hatten sich in den letzten fünf Jahren nicht mehr viel zu sagen gehabt, aber sie würde wohl doch genug Loyalität aufbringen, seinen Tod zu bedauern, oder?
    Wieder sammelten sich Tränen in seinen Augenwinkeln. Niemand liebte ihn. Nicht einmal Barstad – sie wollte nichts als Sex.
    »Ich bin allein«, sagte er laut. Seine Hand schmerzte, und er sah auf seine Knöchel. Sie bluteten stark. Wie hatte das nur passieren können? Das Blut und der Schmerz verwirrten ihn, aber auch der Zorn meldete sich zurück. »Ich bin ganz allein.«

6
    Der Himmel war bedeckt, aber es gab keine Niederschläge, als Lucas zum Rathaus kam. Er hatte zu viel Kaffee getrunken, und sein erster Weg führte ihn zur Toilette; Lester, stellvertretender Polizeichef und Leiter der Ermittlungsabteilung, erledigte gerade sein Geschäft, als Lucas hereinkam und neben ihm in Stellung ging. »Was halten Sie von der Entscheidung des Bürgermeisters?«, fragte Lester.
    »Wird wohl eine Reihe von Personalveränderungen nach sich ziehen«, antwortete Lucas.
    »Rose Marie kriegt sicher keine Chance für eine neue Amtsperiode«, sagte Lester düster. »Und das heißt auch, dass man mich auf irgendeinen unbedeutenden Posten abschieben wird.«
    »Dann quittieren Sie doch den Job bei der Stadt; suchen Sie sich einen Posten beim Staat Minnesota und sahnen Sie später ab. Zwei Pensionen sind besser als eine.«
    »Ich mag meinen Job hier aber.« Lester beförderte durch mehrfaches Schütteln die letzten Tröpfchen ins Becken, zog den Reißverschluss hoch, ging zu einem Waschbecken und drehte das Wasser auf. »Was werden Sie machen? Bleiben?«
    »Das wird wohl schwierig«, sagte Lucas. »Es hängt ja davon ab, wer der neue Chief wird.«
    »Darüber wird heftig spekuliert«, sagte Lester. »Überall stehen Gruppen von Leuten rum und reden darüber. Die Gerüchteküche macht Überstunden.«
    »So ist’s bei solchen Gelegenheiten immer«, sagte Lucas, zog den Reißverschluss hoch und trat zum Waschbecken neben Lester. »Wie viele Chiefs haben Sie im Lauf Ihrer Karriere erlebt?«
    »Neun«, antwortete Lester. »Rose Marie ist Nummer neun. Aber die ersten vier oder fünf Wechsel machten mir kaum was aus, weil ich damals noch mit einer Taschenlampe und einem Doughnut in einem Streifenwagen saß.«
    Del und Marcy warteten im Büro auf ihn. »Swanson und Lane sind rüber zum Cheese-It und versuchen rauszufinden, ob jemand Julie Aronson mit diesem Bruce-Willis-Typen gesehen hat«, sagte Marcy. Sie reichte Lucas ein Foto des Schauspielers. »Wir haben uns dieses Foto aus dem Internet geholt, doch wir werden es überarbeiten lassen, irgendwie generalisieren, und den Kopf dann auf eine Gestalt im dunklen langen Mantel montieren. Und das Bild

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