Tödlicher Irrtum
Durrant?« fragte Calgary ungläubig.
»Ja, und auch Tina, das heißt, sie ist nicht tot, sie ist im Krankenhaus.«
Nachdem sie ihm kurz die Einzelheiten berichtet hatte, sagte er: »Ich komme sofort, Hester, bitte warte auf mich, in spätestens einer Stunde bin ich da. Aber zuerst muss ich noch zu Superintendent Huish gehen.«
»Um was handelt es sich, was möchten Sie wissen, Dr. Calgary?«, fragte Superintendent Huish.
Aber noch bevor Calgary antworten konnte, klingelte das Telefon. Huish nahm den Hörer ab. »Ja? Am Apparat. Einen Augenblick, bitte.« Er nahm Papier und Bleistift zur Hand und begann zu schreiben. »Wie bitte? Könnten Sie das letzte Wort buchstabieren? Das ergibt allerdings keinen Sinn… Sonst noch etwas? Ich danke Ihnen.«
Er legte den Hörer auf und sagte: »Das war das Krankenhaus.«
»Tina?« fragte Calgary.
Der Superintendent nickte.
»Sie hat für einige Minuten das Bewusstsein wiedererlangt.«
»Hat sie etwas gesagt?«, forschte Calgary.
»Warum fragen Sie, Dr. Calgary?«
»Weil ich glaube, Ihnen helfen zu können«, erwiderte Calgary.
Huish sah ihn nachdenklich an.
»Sie haben sich das alles sehr zu Herzen genommen, nicht wahr?«, meinte er.
»Ja. Ich fühle mich für die Wiederaufnahme des Falles verantwortlich und infolgedessen auch für diese beiden Tragödien. Wird das Mädchen überleben?«
»Man hofft es«, antwortete Huish, »aber es ist noch nicht sicher. Der Einstich ging knapp am Herzen vorbei.«
Er schüttelte den Kopf.
»Man kann den Leuten eben nicht klarmachen, dass der Umgang mit einem Mörder gefährlich ist. Das mag sonderbar klingen, aber die Familie Jackson musste ja wissen, dass unter ihnen ein Mörder war. Sie hätten der Polizei sofort alles sagen sollen, aber leider haben sie gewisse Dinge für sich behalten…
Philip Durrant war ein netter intelligenter Bursche, aber er hat das Ganze wie ein Spiel betrachtet; er versuchte, auf eigene Faust Dinge herauszufinden, anderen Fallen zu stellen. Irgendetwas hat er erreicht, oder sagen wir, er dachte, etwas erreicht zu haben. Und jemand anders dachte dasselbe. Resultat: Er wurde erstochen! Das kommt davon, wenn Laien glauben, mehr zu verstehen als die Polizei.«
Er räusperte sich.
»Und Tina?« fragte Calgary.
»Das Mädchen hat etwas gewusst, aber sie wollte es uns nicht sagen«, erklärte Huish. »Meiner Ansicht nach ist sie in den Burschen verliebt.«
»Sprechen Sie von Micky?«
Huish nickte. »Ja, und ich nehme an, dass auch er sie auf seine Art liebt, aber seine Angst ist stärker. Tina konnte nicht wissen, wie gefährlich die ihr bekannte Tatsache war. Deshalb ergriff Micky die Gelegenheit beim Schopf und zückte das Messer, als sie halb betäubt aus dem Haus auf ihn zugelaufen kam.«
»Das ist doch wohl nur eine Vermutung, Superintendent?«
»Nein, durchaus nicht, man hat das blutige Messer in seiner Tasche gefunden. Natürlich werden wir das Blut noch untersuchen lassen, aber ich glaube, mit Recht annehmen zu dürfen, dass es sich um Tinas und um Philip Durrants Blut handelt.«
»Aber das ist doch nicht möglich!«
»Wer sagt das?«
»Hester! Ich habe eben mit ihr telefoniert… Sie hat mir alles erzählt.«
»Wirklich? Nun, es war ganz einfach so: Um zehn Minuten vor vier verließ Mary Durrant ihren Mann und ging hinunter in die Küche. Um diese Zeit befanden sich Leo Jackson und Gwenda Smith in der Bibliothek, Hester Jackson war in ihrem Schlafzimmer, Kirsten Lindstrom in der Küche.
Kurz nach vier fuhren Micky und Tina vor. Micky blieb im Garten, Tina ging kurz nach Kirsten, die im Begriff war, Philip Kaffee zu bringen, die Treppe hinauf. Tina blieb einen Augenblick stehen, um mit Hester zu sprechen, dann ging sie weiter zum Zimmer der Durrants, und die beiden – Miss Lindstrom und Tina – fanden Philips Leiche.«
»Und während der ganzen Zeit war Micky im Garten, nicht wahr? Das sollte doch als Alibi genügen.«
»Sie wissen nicht, dass vor dem Haus ein großer Magnolienbaum steht, auf dem die Kinder, und vor allem Micky, gern zu klettern pflegten. Von diesem Baum aus konnten sie bequem durch ein Fenster ins Haus gelangen. Micky hat mit Leichtigkeit den Baum hinaufklettern, in Durrants Zimmer gehen und ihn erstechen können, um dann das Haus auf demselben Weg wieder zu verlassen. Natürlich muss er alles auf die Sekunde genau berechnet haben, aber er war der Verzweiflung nahe, und er wollte ein Zusammentreffen von Tina und Durrant um jeden Preis verhindern. Es blieb ihm
Weitere Kostenlose Bücher