Tödlicher Kick
Unbekannten, den wir noch gar nicht auf dem Schirm hatten?
»Solange die Presse über mich berichtet hat, konnte Stani mich nicht verschwinden lassen. Aber jetzt, wo Oran tot ist, interessiere ich doch niemanden mehr.«
»Wer war denn alles Stammgast im Esmeralda? «, erkundigte ich mich.
»Ich kenne höchstens Vornamen«, winkte Curly ab. »Aber es haben einige Firmen und Vereine für ihre Feiern gebucht, die Typen unterhalten sich ja. Und sobald sie dir Pasta mit Tomaten-Sahne-Soße von den Titten lecken, vergessen sie, dass du Ohren hast.«
Womit wohl geklärt wäre, was in jener Nacht, als ich bei Esmeralda eingesperrt war, auf dem blank polierten Esstisch passiert war.
Curly zog die langen Beine auf die Couch und umschlang sie mit den Armen, wie eine Spinne, die sich in einer Zimmerecke zusammenfaltete.
Ihre Angst war nicht unberechtigt. Schlagzeilen wie Versicherungsriese schickt erfolgreichste Vertreter in Sexurlaub oder Autohersteller sponsert Betriebsräten Bordellbesuch wollten die ›Herren‹ sicherlich vermeiden.
Der Gedanke hatte sich in meinem Gehirn festgesaugt wie eine Zecke. Und je länger ich darüber nachdachte, umso fetter wurde er.
Apropos Betriebsräte.
»Du hast mal erwähnt, dass die Chefärzte der Sportklinik ihre Betriebsräte zu euch eingeladen haben«, erinnerte ich mich. »Und dass der Herrenklub gern nach Wohltätigkeitsveranstaltungen buchte.«
Curly fuhr zusammen. Offenbar hatte sie nicht damit gerechnet, dass ich mir das gemerkt hatte.
Ich lehnte den Oberkörper vor und stützte die Ellenbogen auf die Knie, um ihr ins Gesicht sehen zu können. »Und diese Studentenvereinigung mit ihren Junggesellenabschieden.«
Curly wurde blass. Na ja, aufgrund ihrer Hautfarbe eher irgendwie grau.
Unter Esmeraldas Kunden waren zweifellos sehr einflussreiche Männer. War einer von ihnen mächtig genug, Oran Mongabadhi und Serkan Göcay auszuschalten und es Justin Jankowski in die Schuhe zu schieben?
Umgebracht habe ich ihn nicht!
Ich ging zum Schreibtisch hinüber und schaltete den PC ein.
In der Sportklinik fand am Wochenende ein Seminar zum Thema Minimalinvasive Gelenkoperationen statt. Das war ein Anfang. Durchaus brauchbar, wenn sich nichts Besseres fand.
Eine örtliche Studentenvereinigung lud auf ihrer Homepage zur Teilnahme an verschiedensten Sportveranstaltungen und Benefizevents ein. Der nächste Lauf für Afrika fand allerdings erst in zwei Wochen statt.
Die ›Herren‹ trafen sich jeden Montag um neunzehn Uhr im Hotel am Stadtpark, entnahm ich der Homepage, die das ›Fenster zur Welt‹ des Vereins darstellen sollte. Am letzten Montag im Monat waren ausnahmsweise sogar – man staune! – die dazugehörigen Damen willkommen.
Mit solchen Herrenklub s hatte ich bereits so einige Erfahrungen sammeln können. Mein Vater war gleich in mehreren dieser ehrenwerten Vereine aktiv: Zum einen natürlich in der obligatorischen Studentenverbindung, die ihren Mitgliedern nach Abschluss des Studiums feierlich ihr ›goldenes Buch‹ überreichte, in dem Namen, Adressen und Telefonnummern aller jemals verzeichneten Mitglieder aufgelistet waren. Eine dicke Vitamin-B-Spritze zum Einstieg in ein erfolgreiches Berufsleben. Zum anderen mischte mein Vater selbstverständlich bei den Rotariern mit . Deren Untergruppen konnten bis heute selbst entscheiden, ob sie Frauen mitmachen lassen wollten. Mein Vater war Mitglied in dem – wen wundert’s? – eher konservativen Zweig des Vereins. Die dazugehörigen Damen trafen sich separat, im sogenannten Inner Wheel. Dort engagierten sie sich ehrenamtlich in sozialen Projekten, während die Männer mit Whiskygläsern und Zigarren in den Händen Karrieren anschubsten oder zerstampften.
Außerdem hatte mein Vater Freude an der abenteuerlich-mysteriösen Geheimverbindung der Freimaurer gefunden, die Frauen mit den allernobelsten Absichten ausschlossen. Dazu kamen noch die wöchentliche Golfpartie und der Herrenabend in der Sauna.
Ob mein alter Herr – der ehrenwerte Herr Oberstaatsanwalt – wohl noch an einem weiteren Herrentreff teilnahm, der mir bisher entgangen war: der kollektive Bordellbesuch?
Der letzte Eintrag auf der Homepage des örtlichen Herrenklubs lenkte meine Aufmerksamkeit auf sich.
Die zugehörigen Damen luden ein zum Fairtrade -Abend, einer Benefizveranstaltung, bei der Einzelhändler, die Wert auf Fairtrade -Produkte im Sortiment legten, ihre Waren im Hotel am Stadtpark vorstellen konnten. Mitglieder und Gäste waren herzlich
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