Tödlicher Mittsommer
von der Spurensicherung also in zwanzig Minuten aufsammeln und mit auf die Insel nehmen. Du musst nur runter nach Slussen zur Hubschrauberplattform. Zurück kannst du dann mit der Wasserschutzpolizei fahren. Oder du nimmst die Waxholmsfähre.« Letzteres fügte er mit einem Grinsen hinzu.
»Habe nichts dagegen«, lächelte Thomas. »Zu einem Hubschrauberflug kannst du mich gerne jederzeit verdonnern.«
Der Alte erhob sich, zum Zeichen, dass die Besprechung beendet war.
»Dann machen wir es so. Melde dich, wenn du zurück bist, damit ich mir ein Bild von der Lage machen kann.«
Er blieb an der Tür stehen und kratzte sich am Kinn.
»Noch was, Thomas, mach keinen Wirbel da draußen. Es ist Hochsommer und Touristensaison. Massenweise aufgeregte Sommergäste und Journalisten, die sich sonst was zusammenfantasieren, können wir nicht gebrauchen. Du weißt, wie die Boulevardzeitungen sind. Die würden liebend gerne ihre Sauregurken-Sextipps gegen Spekulationen über einen Mord im Schärengarten tauschen.«
Margit lächelte Thomas aufmunternd zu.
»Du kriegst das schon hin. Ruf mich an, wenn du Fragen hast. Und denk dran, zieh keine Schlüsse, bevor die Kriminaltechniker sich nicht geäußert haben.«
Thomas zog seine Lederjacke an, die er immer trug, ganz egal, bei welchem Wetter.
»Meinst du, der Hubschrauber kann mich auf Harö absetzen, wenn wir fertig sind?«, fragte er, bevor er ging.
»Sicher. Wenn die Regierungsmaschine einen Thomas Bodström in den Griechenlandurlaub fliegen kann, dann kann ja wohl die Stockholmer Polizei einen Thomas Andreasson zu seinem Landsitz fliegen.«
Der Alte grinste zufrieden über seine eigene Spitzzüngigkeit.
Margit schüttelte den Kopf, konnte sich jedoch ein kleines Lächeln nicht verkneifen.
»Wir sprechen uns heute Nachmittag. Grüß mir die Schären.«
Sie hob die Hand und winkte.
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Kapitel 3
»Ja, hallo.«
Nora Linde sprach automatisch in ihr Handy, bevor ihr aufging, dass der Weckalarm und nicht das Telefon geklingelt hatte. Zwar hatte sie auch einen sehr guten Uhrenwecker, aber es war einfacher, sich vom Handy wecken zu lassen, so konnte es sich doppelt nützlich machen. Nora reckte sich. Sie drehte sich auf die Seite und betrachtete ihren Mann, der neben ihr im Bett lag.
Henrik schnaufte wie ein Kind. Nora beneidete ihn um seine Fähigkeit, sich ungerührt durch alles Mögliche hindurchzuschlafen. Das Einzige, was ihn wecken konnte, war sein Pieper aus dem Krankenhaus – wenn der losging, war er im Handumdrehen hellwach.
Er sah fast immer noch so aus wie damals vor fast zwölf Jahren, als sie geheiratet hatten. Dunkelbraunes Haar, sehnige Bauch- und Armmuskeln vom jahrelangen Regattasegeln, feinnervige Arzthände mit schönen langen Fingern. Nora neidete Henrik nicht sein attraktives Profil mit der eleganten, fast klassisch-griechischen Nase. Allerdings fand sie, dass es bei einem Mann Verschwendung war. Zumindest sagte sie das immer, um sich zu trösten, denn ihre eigene Nase war viel zu kurz und stumpf für ihren Geschmack. In Henriks dunklem Haar zeigten sich schon feine graue Fäden, eine Erinnerung daran, dass er kürzlich siebenunddreißig geworden war, genau wie sie.
Das Handy klingelte erneut.
Nora seufzte. Montags bis freitags um Viertel vor acht aufzustehen war nicht gerade das, was sie unter Urlaub verstand, aber wenn man auf einer Insel wie Sandhamn Kinder hatte, dann gingen diese Kinder in die Schwimmschule. Zu den Zeiten, die angeboten wurden.
Gähnend zog sie sich den Morgenrock an und schlurfte ins Kinderzimmer. Der sechsjährige Simon lag in einer merkwürdig vornübergebeugten Haltung im Bett, den Kopf tief ins Kissen gebohrt. Es war beinahe unbegreiflich, wie er in der Stellung überhaupt Luft bekam.
Adam, der kürzlich zehn geworden war, hatte die Bettdecke weggestrampelt und lag lang ausgestreckt quer über der Matratze. Seineweißblonden Haare waren feucht von Schweiß und ringelten sich leicht im Nacken.
Beide schliefen tief und fest.
Simons Schwimmunterricht begann um neun. Adams um halb elf, also schaffte sie es gerade, mit Simon nach Hause zu rasen und Adam Frühstück zu machen, bevor dieser mit dem Fahrrad losmusste.
Perfektes Timing, mit anderen Worten.
Trotzdem würde sie die Gesellschaft der anderen Mütter und Väter vermissen, wenn Simon eines Tages so groß war, dass auch er mit dem Fahrrad allein hinfahren konnte. Es machte ja auch Spaß, gemütlich am Beckenrand zu sitzen und zu plaudern, während die Kinder
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