Tödlicher Vatertag
allesamt an den Piers fest.
Ich mußte rechts ab. Der Weg führte nach Zweisimmen und Gstaad. Da wollte ich auch nicht hin, sondern ordnete mich links ein, um nach Adelboden zu gelangen.
Und jetzt ging es hoch.
Je mehr ich Höhe gewann, um so mehr Schnee sah ich auch. Die Straßen waren frei und auf den Südhängen grüßten schon die Frühlingsblumen, aber die Hänge im Norden waren noch von der weißen Pracht bedeckt.
Ich rollte durch einige kleine Orte, deren Namen ich schnell wieder vergaß.
In Frutigen teilte sich die Straße. Ich mußte nach links in Richtung Kandersteg. Durch ein weites Tal rollte der BMW, vorbei an einem Bahnhof. Anschließend liefen Straße und Bahngleise parallel. Es waren nur mehr einige Kilometer bis zu meinem Ziel, und schon bald hinter Kandergrund sah ich das Ortsschild Kandersteg.
Sehr hohe Berge umschlossen den Ort. Wäre er nicht nach Norden hin offen gewesen, hätte man ihn als eine riesige Falle bezeichnen können, denn ein gewaltiges Quergebirge versperrte den weiteren Weg nach vorn, so daß es nur noch den Tunnel gab, durch den man in Richtung Süden fahren konnte.
Ich fuhr im Schrittempo. Das störte im Ort keinen, denn schneller fuhr kaum jemand.
Wie hatte mir Evelyn Binussek noch gesagt? Royal Hotel Gemmi sollte das erste Haus am Platz heißen.
Es lag an der »Hauptstraße« auf der linken Seite. Ich fand es auf Anhieb.
Den Brunnen davor, die mit Kies bestreute Auffahrt, rechts und links die Parkplätze, das relativ niedrige, im Landhausstil errichtete Gebäude. Die Fassade gefiel mir auf Anhieb. Ich war darauf gespannt, wie es innen aussah.
Kein seelenloser, riesiger Hotelpalast, wie mir die Häuser der großen Hotelkonzerne häufig vorkamen, sondern ein Haus, in dem man Gemütlichkeit schätzte und sich der Gast auch sicherlich wohlfühlen konnte.
Wenn nicht dieser verdammte Druck gewesen wäre, hätte ich gern hier Urlaub gemacht!
Ich stieg aus und nahm meinen Koffer. An der Hausfront entlang schlenderte ich auf die gläserne Eingangstür zu, die soeben aufgestoßen wurde. Ein Mann kam heraus. Er war kleiner als ich, hatte blondes gescheiteltes Haar und irgendwie lustige Augen.
Als er mich sah, blieb er stehen.
Höflich grüßte ich.
Der Mann grüßte zurück. Wie er das tat, ließ auf einen Deutschen schließen.
»Sie sind ein neuer Gast?« fragte er dann.
»Ja.«
Die Augen des Mannes blitzten hinter den Brillengläsern. »Gestatten Sie, daß ich mich vorstelle. Mein Name ist Stahlmenger.«
»Sinclair«, sagte ich. »John Sinclair.«
Herr Stahlmenger lachte. »Sie sind Amerikaner.«
»Nein, Engländer.«
»O, eine Überraschung.«
»Wieso?«
»Meist wohnen hier Amerikaner. Das kann ich gut beurteilen, da ich schon einige Jahre herkomme. Aber lassen wir das. Sie werden sich bestimmt umschauen wollen. Vielleicht sehen wir uns heute abend an der Bar!«
»Gern, Herr Stahlmenger.«
Ich betrat das Hotel und konnte von der Eingangstür aus direkt auf die Rezeption schauen. Daneben befand sich der Eingang zu einem Speiseraum, im rechten Winkel dazu ging es zum Schwimmbad und zu den Aufzügen. Rechts neben der Tür befand sich eine Art Foyer, in dem es sich die Gäste in schweren Ledersesseln bequem machten und durch die großen, halbrunden Scheiben nach draußen schauen konnten. Ich ging vor bis zur Rezeption. Schon auf den ersten Blick gefiel mir das Haus. Ich hatte das Gefühl, eine andere Welt zu betreten. Eine ruhigere, gelassener als die, die draußen lag.
Aus einem Durchgang hinter der Rezeption hörte ich Schritte. Dann erschien ein Mann im dunklen Anzug. Er war ebenfalls kleiner als ich, trug eine Goldrandbrille und besaß eine beneidenswerte braune Hautfarbe. Freundlich lächelte er und begrüßte mich.
»Mein Name ist John Sinclair«, sagte ich. »Für mich war wohl ein Zimmer bestellt.«
»Ja, natürlich«, der Mann nickte heftig und drehte sich um. Zielsicher fand er den Schlüssel. »Ihr Zimmer liegt in der ersten Etage. Die Damen haben Sie schon avisiert.«
»Dann sind sie eingetroffen?«
»Ja.« Ich bekam den Schlüssel gereicht. »Falls Sie irgendwelche Fragen haben, wenden Sie sich an mich! Mein Name ist Contini.«
»Sie können den Fahrstuhl oder die Treppe benutzen. Haben Sie außerdem noch Gepäck, Herr Sinclair?«
»Nein.«
»Dann wünsche ich Ihnen noch einen angenehmen Aufenthalt in unserem Hause.«
Ich nickte und hoffte insgeheim, daß sich alles als Irrtum herausstellte. Wenn ich mir den kleinen Ort vorstellte und daran
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