Toedlicher Wind
nickte sie dem Grab zu, dann begann sie zu
laufen. Koko wartete auf dem Platz schon ungeduldig. Sie war blass und wirkte
total verstört. Sally ging zu ihr und legte ihr die Hand auf die Schulter. „Wir
schaffen das, hörst du? Konntest du deinen Bereich fertig absuchen?“ Koko
schüttelte den Kopf. „Das große Haus dort am Ende fehlt mir noch. Soll ich auf
die anderen warten oder gehen?“, wollte sie wissen. „Lauf los und such, bis du
alles absuchen konntest. In den Läden war nichts? Keine Keller oder Sonstiges?“
Wieder ein Kopfschütteln. „Ok, dann lauf! Ich kümmere mich um die Anderen“, gab
Sally Anweisung und Koko lief los. Kurze Zeit später kamen Dascha und Kyle
angerannt. Sie hielten sich an der Hand und Kyle zog Dascha an sich und umarmte
sie ganz fest, als sie bei Sally angekommen waren. „Nichts am Bahnhof, in der
Schule oder im Ghetto zu finden. Wie sieht’s bei dir aus? Wo sind Emily und
Koko?“, fragte Dascha. Sie war erstaunlich ruhig, sie wunderte sich sogar über
sich selbst. Auch Sally zog kurz die Stirn kraus, bevor sie antwortete. „Nichts
in den Läden, der Kirche oder dem Friedhof. Dascha, bitte lauf du zu diesem
verfallenen Gelände rechts von der Kirche. Kyle, du rennst zum Edelviertel, es
liegt dort vorn. Eigentlich war es Emilys Gebiet, aber sie hat es leider nicht
geschafft. Koko ist auf dem Weg zu dem großen Gebäude hinter der Einkaufsmeile,
hier entlang. Ich suche weiter den Stadtrand ab“, gab Sally schnell Anweisung,
dann nickten sich die drei zu, atmeten tief durch und liefen dann los, jeder in
seine Richtung.
Auf dem Weg
zu dem verfallenen Gebäude, zu dem sie geschickt wurde, kreisten Daschas
Gedanken um ihre beste Freundin. Stumme Angsttränen liefen über ihr Gesicht,
Angst ihre Emily nie wieder sehen zu können, wenn sie den Kampf verlieren
würden. Also ignorierte sie das brennen in ihren Beinen und das stechen in
ihrer Lunge. Den immer stärker werdenden Wind blendete sie einfach aus. Sie
musste Kira und den Ausgang einfach finden, koste es, was es wolle. Als sie ihr
Ziel erreichte, musste sie wegen dem starken Wind bereits ihr Gesicht mit einer
Hand schützen. Es schien sich bei dem Gelände um einen verlassenen Bauernhof zu
handeln. Auf dem leeren Platz vor dem Haus musste sich einmal ein Garten oder
ein kleines Feld befunden haben. Dascha lief zielstrebig zu dem Brunnen, der
mitten auf dem Feld stand. Im Lauf schaute sie den Boden nach Besonderheiten
ab, doch da war nichts. Der Brunnen war ausgetrocknet. Sie warf einen leeren
Blecheimer hinein, der neben dem Brunnen stand. Nichts. Nur das dumpfe Aufschlagen
des Eimers auf den Boden war zu hören. Also lief Dascha zum Haus herüber. Das
Dach war schon eingestürzt und die Balken hatten sich in das obere Stockwerk
des Hauses gebohrt. Dascha zog an der Tür. Sie klemmte. Also stieg sie
kurzerhand durch eines der Fenster ins Innere des Hauses. Es war dunkel und
staubig, außerdem knarrte das Haus durch den starken Wind, Staub rieselte durch
die beschädigte Decke nach unten. Dascha wusste, das ihr nicht mehr viel Zeit
blieb, also durchsuchte sie Raum für Raum, wie sie es auch in den Hütten des
Gettos gemacht hatte; alles, was nicht niet- und nagelfest war, riss sie zur
Seite oder schmiss es hinter sich. Erst eine große Küche, dann ein
Kinderzimmer, den Wohnraum und dann ein weiteres Kinderzimmer. Ihre Suche wurde
durch die Unordnung der Räume erschwert, die Bewohner hatten alles einfach
stehen und liegen lassen, wie es gerade war. Spielzeug, Kleidung, Geschirr und
Müll lagen herum. Voller Staub war auch alles. Als sie gerade die Treppe in das
zweite Stockwerk hinaufsteigen wollte, geschah es. Ein Tornado erfasste das
Gebäude und die Wände begannen einzustürzen. Dascha rannte die Treppe hinauf
und hielt sich schützend die Hände über den Kopf. Das eingestürzte Dach
verhinderte ein Durchkommen zu den Räumen, die sich dahinter befanden. Es
krachte und staubte immer heftiger. Entmutigt ließ sich Dascha an einem Stück
Wand nieder, das noch nicht verschüttet war. Sie zog die Knie an, da hörte sie
ein schaben unter ihrem Schuh. Sie griff hin und hielt ein pinkes Satinband in der
Hand. Eine kleine silberne Plakette hing daran. Sie wischte den Staub herunter
und erkannte dann die Inschrift. „Lucy“ war dort in filigraner Schrift
eingraviert worden. Ehe sich Dascha aber weiter darüber Gedanken machen konnte,
brach auch schon das Haus über ihr zusammen.
Kyle
durchsuchte Haus für Haus, genau wie
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