Tödliches Abseits (German Edition)
heiße Bräute, las er. Nicht sein Ding.
Über der Kopfseite des französischen Bettes war ein großer Spiegel leicht schräg an der Wand befestigt. Es erforderte nur wenig Fantasie, um zu durchschauen, dass dieser Spiegel nicht zur Kontrolle des richtigen Sitzes der Krawatte diente. Das Bett war nicht gemacht. Krawatzki berührte das Bettzeug. Kein Satin, sondern schwarze Seide.
Dem Bett gegenüber stand ein großer Schiebetürenschrank. Der Polizist schob eine der Schranktüren zur Seite, die sich leichtgängig und fast lautlos öffnete und den Blick auf zahlreiche Anzüge und Sakkos der ein wenig teureren Produzenten von Herrenbekleidung freigab.
Das Wohnzimmer war etwa vierzig Quadratmeter groß. Eine Fensterfront an der gegenüberliegenden Wand ließ die Sicht auf eine große Terrasse und einen kleinen Steingarten frei. Links von der Tür befand sich eine Schrankwand aus Mahagoni. Krawatzki öffnete auch hier eine der Türen: einige Aktenordner und ein Papierberg. An der rechten Wand des Raumes stand ein Sideboard, welches die Stereoanlage enthielt. Über dem Möbelstück hingen zwei Nachdrucke der berühmten Bilder Marilyn Monroes von Andy Warhol, in Rot und Dunkelblau. Weiter hinten lud eine Sitzgruppe aus schwarzem Leder ein.
»Nobel eingerichtet, Ihr Bruder«, bemerkte Krawatzki. »Seine ... hm ... Geschäfte scheinen ja nicht schlecht gegangen zu sein.«
»Dazu kann ich Ihnen nichts sagen«, entschuldigte sich Heinz Hasenberg. »Wir haben nie darüber gesprochen.«
»Schon klar. Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich einen Blick in die Papiere dort werfe?« Krawatzki zeigte auf die geöffnete Schranktür.
»Nein, natürlich nicht. Und wenn Sie Versicherungsunterlagen finden ...«
Krawatzki nickte und griff nach den Akten. Er packte den Stapel auf das Sideboard und sah ihn durch. Alte Nebenkostenabrechnungen, Korrespondenz mit Autoreparaturwerkstätten, Urlaubsprospekte, nichts Ungewöhn-
liches. Dann blätterte der Polizist im ersten Aktenordner.
»Hier«, sagte er zu dem Bruder des ermordeten Wohnungsinhabers, »sind seine Versicherungsunterlagen. Und seine Kontoauszüge.«
Der Kommissar sah auf den letzten Bankauszug und pfiff leise durch die Zähne. »Nicht schlecht. Ihr Bruder hat fast 80.000 Mark auf seinem Girokonto.« Krawatzki reichte Heinz Hasenberg den Aktenordner und griff zum nächsten. Er überflog alte Arbeits- und Schulzeugnisse und wollte den Ordner schon wieder aus der Hand legen, als zwischen den Zeugnissen ein nur lose eingelegtes Blatt hervorrutschte.
Krawatzki las den Text, pfiff erneut durch die Zähne, diesmal aber etwas lauter und sagte zu Heinz Hasenberg: »Das muss ich mitnehmen. Haben Sie etwas dagegen?«
Hasenberg warf einen flüchtigen Blick auf den Wisch. »Wenn Ihnen so ein alter Schuldschein weiterhilft ...? Obwohl, ist schon recht viel Geld ...« Er zuckte mit den Schultern. »Ich bekomme den Schein doch zurück?«
»Selbstverständlich«, beeilte sich der Polizist zu versichern. Dann schnappte er sich sein Handy und versuchte erfolglos, seinen Kollegen Husenau anzurufen.
»Scheißwochenende«, stöhnte Krawatzki. Er tippte eine andere Nummer ein. Auch Brischinsky und Baumann waren nicht erreichbar.
Dann wandte sich der Polizist wieder an Hasenberg. »Ich muss so schnell wie möglich zurück nach Recklinghausen. Noch einmal vielen Dank für Ihre Mühen. Wir melden uns bei Ihnen.«
25
Die Beine auf dem Schreibtisch gelegt, kämpfte Rainer gegen den Schlaf an. Trotz mehrerer Becher Kaffee gelang es ihm nicht, die Augen offen zu halten. Mühsamfixierte er das übergroße gerahmte Erinnerungsfoto an der gegenüberliegenden Wand, das die Windmühlen von Mykonos zeigte. Mykonos, das war ...
Das Schrillen des Telefons riss ihn aus allen Träumen. Rainer brachte sich in eine halbwegs vertikale Lage, griff zum Hörer und meldete sich gähnend.
»Spreche ich mit Rechtsanwalt Esch?«
Der Akzent des Anrufers erinnerte ihn an seinen ersten und einzigen Toskana-Urlaub, der schon einige Jahre zurücklag. Der Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung war eindeutig Italiener.
»Ja?«
»Sie vertreten den Mann, der verdächtigt wird, am vorletzten Samstag im Zug nach Dortmund einen Fußballfan erstochen zu haben?«
Für einen Moment war Rainer überrascht. »Woher wissen Sie ...«
»Die Zeitung. Es stand in der WAZ .«
»Ach so.« Esch griff zur Revalpackung. »Und?«
»Ich habe gelesen, dass die Polizei noch nach Zeugen sucht. Wären Sie auch
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