Toedliches Fieber
für leicht übertrieben, aber mit ›viel besser‹ könnte ich mich durchaus anfreunden. Ich komme später noch mal vorbei. In der Zwischenzeit … ruhen Sie sich aus!« Er warf einen vielsagenden Blick auf Seth.
Fragen
London
2013 n. Chr.
Nachdem sie wieder draußen waren, sah ich Seth an. »Machst du bitte mal die Tür zu?«
Er warf mir einen forschenden Blick zu, schloss leise die Tür und setzte sich wieder auf meine Bettkante. Seine Hand lag neben meiner auf der Bettdecke. Als ich sie nahm, bekam ich einen kleinen Hitzeschock, aber ansonsten passierte nichts Gravierendes.
»Seth, wir müssen reden«, flüsterte ich. Er nickte verhalten.
»Also gut. Kannst du mir bitte sagen, wer du bist?«
»Das weißt du doch. Ich bin Seth. Sethos Leontis.«
»Meinetwegen. Und wie haben wir uns kennengelernt?«
Er blickte stumm auf unsere verschränkten Hände. Dann zuckte er die Achseln und schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht so genau.«
Er sah so elend aus, dass ich beinahe klein beigegeben hätte. Doch ich musste es wissen.
»Was soll das heißen?«, fragte ich.
Er schüttelte nur wieder den Kopf. Ich versuchte, ruhig zu atmen und nicht die Nerven zu verlieren.
»Gut, wenn das zu schwierig ist … erzähl mir von Livia.« Er hatte ihren Namen so oft genannt, dass er mir fast zu vertraut war.
Er spreizte die Hände und sah mich an, als würde ich etwas total Offensichtliches nicht begreifen.
»Was?«, fragte ich, am Ende meiner Weisheit.
»Nun – du bist Livia, was sonst?« Er lächelte.
»Nein«, widersprach ich (meiner Meinung nach mit einer Engelsgeduld). »Ich bin Eva. Eva Koretsky. Livia ist jemand anders.«
Und wieder schüttelte Seth den Kopf. »Eva, ich kenne deinen Namen, aber ich weiß auch, dass du sie bist.« Er seufzte. »Ich verstehe es auch nicht, aber das bedeutet nichts. Es gibt so vieles, das ich nicht verstehe.«
»Zum Beispiel?«
»Tja, etwa das Fieber.«
»Was ist mit dem Fieber?«, fragte ich schroff.
Er sah aus dem Fenster, zog die Stirn kraus und murmelte vor sich hin. »Es muss eine Verbindung geben, aber ich sehe nicht …«
»Weißt du etwas über meine Krankheit?«, fragte ich mit klopfendem Herzen.
»Keine Ahnung. Ich weiß nur etwas über meine.«
»Du hattest auch Fieber?«
Er nickte.
»So wie ich?«
»Ich weiß nicht – eher nicht …«
»Mensch, Seth, jetzt sag mir endlich, was du weißt – bitte! Dann sage ich dir auch, was ich weiß. Vielleicht kommen wirgemeinsam dahinter. Dann kann ich auch wieder gesund werden, wie du.«
Er sah mich dermaßen von Kummer gequält an, dass ich plötzlich einen Kloß im Hals hatte. Ich musste schlucken. »Was? Was ist denn?«
»Eva … ich …«
Auf einmal wurde die Tür aufgerissen und eine Krankenschwester kam mit einem beladenen Wägelchen herein.
»Ich muss Sie bitten, die Tür immer offen zu lassen«, schimpfte sie Seth aus. »Sie dürfen Sie nicht einfach zumachen. Und jetzt gehen Sie bitte.« Sie nickte Richtung Tür. »Ich muss die Patientin untersuchen.«
Als Seth meine Hand losließ und aufstand, geriet ich in Panik.
»Er muss hierbleiben«, sagte ich nachdrücklich.
Die Schwester schüttelte den Kopf und gab missbilligende Geräusche von sich. »Er kann draußen warten, bis wir fertig sind.«
Seth schenkte ihr ein strahlendes Lächeln und ging zur Tür – und mit ihm auch die Wärme. Die Kälte seiner Abwesenheit versetzte mir einen Schock.
»Seth?«, rief ich ihm heiser nach.
Er steckte noch mal den Kopf ins Zimmer. »Ich warte hier, keine Angst.«
Die Krankenschwester brauchte eine halbe Ewigkeit, und als sie endlich mit ihrem Wägelchen verschwand und Seth wieder ins Zimmer durfte, war ich zu erschöpft, um ihn weiter zu löchern. Ich konnte ihn gerade noch zittrig anlächeln. Als er zurücklächelte, vergaß ich alles andere und legte dieHand an seine Wange. In dem Moment, als meine Finger seine Haut streiften, stockte mir der Atem. Plötzlich hatte ich ein anderes Bild von ihm vor Augen … einen anderen Seth, der auf einer Liege lag … Wassertropfen glänzten auf seinen geschlossenen Augen.
Ich wollte mich von diesem Schreckensbild lösen, aber es verfestigte sich eher noch. Ich sah nichts anderes mehr, es verdrängte das Krankenhauszimmer und Seths ängstlichen Blick, bis es ganz dunkel wurde.
Nein … das durfte ich nicht zulassen … ich wollte hierbleiben. Ich brauchte diesen Jungen an meiner Seite. Ich hatte so viele Fragen, aber nicht genug Energie, um dagegen anzukämpfen.
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