Tödliches Labyrinth
fest, ihre Mutter sei krank, weil sie nur so vermeiden konnte, jede Nacht mit Hawk zu verbringen. Ihre Lüge war notwendig, da sie anders nicht in den Vorratsraum hätte zurückkehren können, um jedes Mal die Kassette aus der Kamera zu holen und neue Batterien einzulegen.
Sie fühlte sich wegen ihres Täuschungsmanövers miserabel, und sie sehnte sich danach, Hawk einzuweihen und ihn um Hilfe bei ihrem Plan zu bitten. Aber noch bevor sie über diesen Gedanken mit ihren Eltern gesprochen hatte, war ihr längst klar gewesen, dass sie nicht das Risiko eingehen durfte, Hawk ihre wahre Identität zu offenbaren.
“Oh, Leah.” Faith seufzte schwer, als sie ihre Tochter ansah, die ihr im Haus der Tallclouds am Küchentisch gegenübersaß. “Ich weiß, das alles stellt für dich eine unerträgliche Belastung dar. Ich wünschte mir nichts mehr, als dass du das nicht mitmachen müsstest – erst recht nicht völlig allein. Ich merke dir an, dass dir dieser Mann viel bedeutet und dass du begonnen hast, ihm zu vertrauen. Aber du kannst es dir
nicht
erlauben, ihm zu gestehen, wer du wirklich bist. Das ist viel zu gefährlich! Was ist, wenn er einer deiner Feinde ist?"
“Deine Mutter hat Recht, Leah”, sagte Jim, als er sich zu seiner Tochter an den Tisch setzte und die Kaffeekanne mitbrachte, um ihre Tasse aufzufüllen. “Es ist schlimm genug, dass du den Verdacht hast, Winston Pryce könnte deine wahre Identität erkannt haben. Ich muss dir ja wohl nicht sagen, dass deine Mutter und ich deswegen sehr besorgt um dich sind. Wenn er tatsächlich der Wortführer dieser Gruppe ist, dann könntest du in größter Lebensgefahr schweben! Vielleicht sollten wir dieses Schauspiel beenden und zur Polizei gehen.”
“Und mit welchen Beweisen, Dad?” fuhr Leah ihn energischer an, als sie beabsichtigt hatte. “Ich habe bislang nicht mehr gegen sie in der Hand als meine leiblichen Eltern. Und selbst wenn wir die Polizei davon überzeugen könnten, einen Durchsuchungsbefehl für das Hotel zu erwirken, würde das Konsortium Mittel und Wege finden, um meinen Großvater rechtzeitig aus dem Gebäude zu schaffen. Anschließend würden Pryce und Komplizen behaupten, wir drei hätten uns diese Geschichte ausgedacht, um beispielsweise den Konzern zu erpressen!"
“Ich schätze, damit dürftest du Recht haben.” Jim hatte eine finstere Miene aufgesetzt. “Ich
wünschte
nur, wir könnten dir irgendwie helfen, Leah. Aber ich fürchte, wenn deine Mutter und ich plötzlich auftauchen, dann wird es für dich nur noch schwieriger und gefährlicher. Wenn Pryce wüsste, dass wir deine Eltern sind …"
“Das weiß er nicht … zumindest hoffe ich, er weiß es nicht.” Leah nippte an dem dampfenden Kaffee, damit Jim und Faith ihr nicht ansehen konnten, wie sehr sie der bloße Gedanke an Pryce ängstigte. “Tallcloud ist ein ziemlich weit verbreiteter indianischer Name. Es gibt also keinen direkten Hinweis, der zu euch führt. Ich bin auch der Ansicht, dass er momentan nur
vermuten
kann, wer ich wirklich bin. Es gibt keinen Anhaltspunkt, der ihm Gewissheit verschaffen könnte, und solange er nicht sicher ist, wird er es wohl nicht riskieren, gegen mich vorzugehen. Er kann sogar annehmen, dass ich selbst nichts von meiner wahren Identität weiß, da ich sonst sicherlich meine Ansprüche geltend machen würde.”
“Das mag alles sein, Leah”, sagte Faith und holte die frisch gebackenen Schokoladenkekse aus dem Ofen, um sie zum Abkühlen auf einen Teller zu legen. “Doch es stehen Milliarden Dollar auf dem Spiel. Wer weiß, vielleicht war Pryce der Mann, der den Sprengsatz in den Mercedes deiner Eltern einbaute. Wenn du nämlich Recht hast, was ihn angeht, dann war er zu der Zeit einer der untersten Figuren des Totempfahls, also jemand, der die Drecksarbeit erledigen musste, um der Führungsebene zu beweisen, dass er auf ihrer Seite stand.”
“Ja, ich weiß, Mom.” Leah nahm einen der noch heißen Kekse vom Teller. “Darum bin ich ja auch so vorsichtig. Und darum wünschte ich mir auch, ich hätte jemanden bei MMI, dem ich mich anvertrauen könnte. Wenn mir etwas zustößt, werden Pryce und die anderen wahrscheinlich unbehelligt davonkommen, weil niemand im Konzern eine Verbindung zwischen ihnen und mir herstellen würde.”
“Nein, da irrst du dich. In dem Fall würden dein Vater und ich an die Öffentlichkeit gehen und sagen, was wir wissen”, beteuerte Faith nachdrücklich. “Notfalls würden wir uns sogar an eine von diesen
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