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Tödliches Paradies

Tödliches Paradies

Titel: Tödliches Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sollte die Touristen wohl dazu bringen, anzuhalten und einzukaufen. Doch die hielten nicht; sie schwärmten in Leihwagen durch die Gegend oder fuhren vornehm separat im klimatisierten Hotel-Mercedes wie Melissa und Tim.
    Das Meer sahen sie nicht. Noch nicht.
    Dafür aber einen hochrädrigen Karren, den ein schwarzes Maultier zog. Und der Mann auf dem Kutschsitz hatte den Hut im Gesicht.
    »Mensch«, sagte Melissa staunend, »der pennt im Fahren!«
    »Du spinnst ja.« Aber dann erwischte Tim doch noch einen Blick – und tatsächlich. Der alte Mallorquiner auf dem Kutschbock hatte die Augen geschlossen! Da kam Tim erst recht ins Träumen: »Was für ein Land! Das wär's doch. Sich ein Maultier kaufen und von Patient zu Patient ziehen lassen. Und dabei pennen.«
    Richtig ehrfürchtig wurde ihm zumute.
    Und nun, tatsächlich – das Blau dort! Die Hügel senkten sich zum Meer, und das wiederum wurde wie in einer Umarmung von zwei Landzungen umschlossen.
    Der Chauffeur hob den Arm. »Dort – Alcudia. Sehen Sie?«
    Sie sahen.
    »Und links, da geht's nach Formentor.«
    »Sieht aus wie ein Drachenkamm«, meinte Melissa.
    »Da sind wir aber gleich drüber weg«, beruhigte sie der Fahrer. Und dies auch noch in flüssigem Deutsch. Wo er das wohl gelernt hatte? Schon wieder drängte sich Tim der Gedanke an Helene Brandeis auf …
    Sie waren auch gleich darüber hinweg; es brauchte nicht länger als fünfzehn Minuten. Aber was für Minuten das waren! Schwindelerregende Serpentinen, Felswände, die senkrecht in die tobende Brandung stürzten, einsame Pinienwälder – und wieder zerklüfteter Stein, Ausblicke, die nicht nur begeisterten, sondern auch ein flaues Gefühl im Magen erzeugten. »Eine richtiggehende Wagner-Landschaft«, fand Tim. »Fehlt nur noch der fliegende Holländer …«
    Dann aber wurde die Welt licht und hell. Ein Tal öffnete sich, ein liebliches, paradiesisches Tal, aus dem wie bunte Nester Blüten leuchteten. Und hinter den Blüten – wieder das Meer, schimmernd, blau und grüßend.
    Dazu noch dieser Duft: Pinien und Rosen!
    Tief sog Tim ihn in sich ein. Richtig ergriffen war er. »Stark!« sagte er, ergriff Melissas Hand und drückte sie. »Sehr stark. Tausendmal schöner als Griechenland.«
    Dort war er mal gewesen, auf Lesbos, im VW-Bus mit einer ganzen Clique von anderen Assis aus der Essener Klinik.
    Sie lächelte. Sie lächelte mit mütterlicher Liebe. Nun geriet Bewegung in Melissa; sie beugte sich nach vorne, gab sich einen Ruck und schubste energisch den Chauffeur an: »Halten Sie bitte! Ich möcht' gern raus.«
    Der Chauffeur hielt. »Wie bitte?«
    Auch Tim schluckte.
    Aber sie hatte schon die Türe offen. »Nun komm doch, Tim! Siehst du nicht? Da vorne ist doch das Hotel.«
    Vorne? Ja, dort, in der Ferne, durch ein Spalier hoher roter Stämme schimmerte es weiß. Und nun sah er auch Hinweisschilder: Zum Golfplatz – Zu den Tennisplätzen. Alles, was Formentor zu bieten hatte, war mit kleinen weißen Männchen ausgeschildert. Dann die Blumen, ganze Explosionen von gelben und rosafarbenen Margeriten, Hibiskus, die Oleandersträucher, dazwischen Rosen.
    Melissa lachte. Und wenn sie lachte, sah sie aus wie eines dieser Mädchen auf den Reiseagentur-Plakaten.
    »Nun komm schon endlich!«
    Der Fahrer mit seinem tiefdunklen Olé-Jungen-Gesicht sah Tim fragend an. »Bringen Sie schon mal das Gepäck ins Hotel«, beschied Tim, dann begann er selbst zu laufen. Irgendwo dort zwischen grünen Zweigen und weißem Brandungsgischt wehten Melissas rotblonde Haare. Beide Schuhe hatte sie in der Hand, rannte wie eine Verrückte, rannte wie ein Kind, war bereits am Wasser, patschte die nackten Füße in die Wellen, schmiß die Schuhe weg, griff mit beiden Händen zum Rocksaum und zog ihn hoch – das war immerhin rein resedafarbene Rohseide! Eines ihrer teuersten Ensembles hatte sie sich für die Reise angezogen: Luxus-Hotel bleibt schließlich Luxus-Hotel …
    Tim wußte nicht, ob er nun schimpfen oder einfach nur staunen sollte.
    »Mensch, spinnst du? Du wirst doch ganz naß.«
    »Na und? Sieh mal, Tim, lauter Muscheln! Und was für schöne. Komm, Tim, hilf suchen!«
    Sie zerrte ein Taschentuch aus ihrer Handtasche.
    »Aber jetzt doch nicht, wir haben doch noch tagelang Zeit dazu.«
    »Jetzt!«
    »Du, zum Hotel ist es noch ein ganzer Kilometer. Wie kommst du bloß auf die Schnapsidee, den Wagen hier halten zu lassen?«
    Aufrührerisch ließ Melissa ihre Haare fliegen. »Tim Tannert! Jetzt hör mir mal zu: Leute

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