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Tödliches Paradies

Tödliches Paradies

Titel: Tödliches Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mit Stil fahren nicht im Taxi vor, sie nehmen Besitz. Und so was macht man zu Fuß. Oder zu Pferd. Kapiert?«
    »Nein.« Wie auch? Sie war nun mal verrückt, doch wenn er etwas an ihr liebte, dann waren es Melissas Einfälle.
    Und so nahmen sie Besitz von Formentor.
    Es fing mit den gut zwei Dutzend Muscheln an, die Melissa vom Strand aufsammelte. Schwarzweiß gestreifte, gelbe, rosafarbene, tiefrote, sie kamen alle ins Taschentuch. Und so, nebeneinander, Melissa mit zerrissenem Rock, denn der mußte sich auch noch an einem vertrockneten Ast festhaken, schritt das Ehepaar Tannert fröhlich pfeifend und ausgelassen wie zwei Kinder dem großen, weißen Gebäude entgegen …
    Vornehm und von der lichtüberfluteten Weite eines Fußballfeldes war die Halle. Und vornehm in ihren makellosen schwarzen Zweireihern mit den glänzenden grauen Seidenschlipsen wirkten auch die beiden Herren hinter dem Mahagonitresen am Empfang. Der eine hieß Felix Pons und war seit zwanzig Jahren Chefportier im Haus Formentor. Der Name des anderen, seines Assistenten, war Luis Martinez. Pons war klein und rund und stammte aus Mallorca. Der lange dünne Martinez wiederum war ein Andalusier aus Murcia.
    Martinez fand als erster zur Sprache zurück: »Sag mal, Felix, du siehst doch das gleiche wie ich?«
    Felix Pons nickte.
    »Kannst du mir sagen, was das ist?«
    »Werden wir ja erleben.«
    Was sie erlebten, war für die Verhältnisse des Hotels Formentor reichlich ungewöhnlich. Hier pflegten millionenschwere Pensionisten oder Generalmanager amerikanischer, holländischer, schweizer oder bundesdeutscher Multis Erholung von ihren strapaziösen Jobs zu suchen. Manchmal in Begleitung ihrer Damen, gelegentlich auch der Sekretärinnen, bei denen es sich selbstredend gleichfalls um Damen handelte. Nobelpreisträger kamen in die Abgeschiedenheit des Formentor, weltberühmte Dichter, Großbankiers aus Frankreich, Italien, selbst China gehörten zur Kundschaft. Und alle kamen sie auf der Suche nach Ruhe: Die spanische Hocharistokratie, sofern sie noch die Mittel besaß. Politiker und Staatspräsidenten, Margaret Thatcher war schon hier gewesen, und gelegentlich ließ sich das spanische Königspaar sehen.
    Aber zwei wie die?!
    Und sie hielten sich auch noch an der Hand, schlenkerten wie auf einem Schulausflug durchs Portal, barfuß noch dazu, er die Jeans hochgekrempelt, sie die Schuhe in der Linken, in der Rechten ein Taschentuch, aus dem es tropfte …
    »Was für ein Weib«, murmelte Luis Martinez. »Super …«
    Dieser Luis! Natürlich war Felix Pons sofort klar, was er meinte: Die Frau war ja nicht nur barfuß, der Rock war zerrissen, und der Schlitz gab einen runden, schön geformten, wenn auch mit Dreck verschmierten Oberschenkel frei. Blond war sie auch noch. Rotblond!
    Und lachte aus vollem Hals.
    Jedes Luxus-Hotel hat einige besonders exzentrische Gäste, auf die es nicht selten stolz ist. Aber ob es sich bei dem sonderbaren Paar um solche handelte? Felix Pons war sich sehr unschlüssig, als die beiden heranschlenderten, noch immer Hand in Hand, noch immer barfuß.
    »Sprechen Sie Deutsch?« meinte der große, lange, hagere Kerl und zeigte Erwartungsfalten unter seinen beiden störrischen Haarwirbeln. Die Hand, die er auf die Marmortheke legte, war mit Sand gepudert.
    Felix Pons griff sich an die Krawatte: »Verzeihung, mein Herr. Dies ist das Hotel Formentor. Natürlich spreche ich Deutsch.«
    Tim nickte ergeben. Da hatte er sich ein Eigentor geschossen. Er blickte über die Schulter zurück. Tatsächlich, dort drüben standen ihre Koffer. Selbst der alte grüne aus seiner Göttinger Studentenzeit. Und daneben saß ›Juan‹, der Olé-Junge, der sie hergebracht hatte.
    »Da ist ja unser Gepäck.«
    »Ah, Sie sind das?« meinte Pons schon um eine Nuance freundlicher.
    Andere Gäste durchquerten die Halle. Was sie gemeinsam hatten, war: tiefgebräunte Hautfarbe, teuerexklusive Freizeitklamotten, der schlendernde Gang und das Alter. Ja nun, so 'nen Schuppen kann man sich wohl erst ab sechzig leisten, überlegte Tim.
    »Wir haben hier eine Suite reserviert«, nahm Lissa das Heft in die Hand. »Dr. Tannert. Tannert aus Tegernsee.«
    In Felix Pons geriet Leben. Hastig blätterte er. »Dr. Tannert? Eine Suite …«
    Und dann geschah etwas sehr Sonderbares: Ein Törchen öffnete sich im Empfangstresen, und aus ihm stürzte Felix Pons heraus, beide Hände ausgestreckt, die Arme sogar geöffnet, eindeutig zu überschwenglich für einen Chefportier seines

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