Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliches Rätsel

Tödliches Rätsel

Titel: Tödliches Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
Vom Netzwerk:
Mönch namens Richard von Wallingford hat es geschrieben. Er war Abt von St. Alban’s…«
    Athelstan war erfreut, jemanden zu finden, der ein so waches Interesse für die Werke der Astrologie und Astronomie aufbrachte, und plauderte munter drauflos. Cranston hielt sich verdrossen zurück, brummte hin und wieder etwas von verdammten Mönchen und Sternen und nahm gelegentlich einen Schluck aus seinem wunderbaren Weinschlauch.
    Sie wanderten durch Holborn. Das Gedränge hatte nachgelassen; nur noch vereinzelte Karren, Nachzügler auf dem Weg zum Markt, und die üblichen Reisenden, Wandergesellen und Hausierer, waren unterwegs in die Stadt. Athelstan fand in Alison eine bereitwillige Zuhörerin mit einem aufmerksamen Interesse für die Zusammenhänge von Astrologie und Astronomie und vor allem für die Auswirkungen des Saturn auf die menschlichen Angelegenheiten. Nur einmal blieb Athelstan stehen, als sie nämlich an der Cock Lane vorbeikamen, wo sich sonst die Prostituierten herumzutreiben pflegten. Für gewöhnlich drängten sich am Anfang der Gasse lauter Huren mit auffälligen Perücken und schreiend bunten Kleidern und warteten auf Kundschaft. Wenn sie Sir John erblickten, hallte die Straße wider von ihren Spottrufen und grellen Beschreibungen dessen, was sie mit ihm anstellen wollten. Heute vormittag aber war es hier ganz ruhig, und weit und breit war keine Hure zu sehen. Die Gasse war mit zwei mächtigen Balken verschlossen, die quer vor dem Eingang lagen und von einer Reihe Bogenschützen bewacht wurden. Diese waren schwarz gekleidet, und Masken von der gleichen Farbe bedeckten ihre Gesichter. Sie waren mit Schwert und Dolch bewaffnet und trugen Köcher auf dem Rücken. Die Sehnen der Langbögen, die sie in den Händen hielten, waren gespannt, und sie hatten die Pfeile schon angelegt. Über die Holzschranke hatte jemand ein weißes Tuch mit einem großen roten Kreuz gehängt, und darunter standen die Worte »Jesu Miserere.
    »Der Herr erbarme sich unser!« flüsterte Cranston. »Die Pest ist da!«
    Athelstan fühlte, wie die Haut in seinem Nacken zu prickeln begann. Einer der großen Alpträume Londons war zurückgekehrt. Dann und wann sickerte der Pesthauch in die Stadt. Manchmal infizierte er jeden Ort, dann wieder wurde, wie jetzt, nur eine Gasse, eine Straße oder ein Viertel befallen. Wenn das geschah, wurden die Bewohner in ihren Häusern eingesperrt und starben dort zusammen in ihren Betten. Kinder weinten neben ihren toten Eltern, Priester weigerten sich, die Sterbesakramente zu spenden, Arzte kamen nicht zu den Kranken — selbst die Totengräber wollten die Leichen nicht anrühren.
    »Die Pestjungfrau!« flüsterte Alison.
    »Die was?« fragte Cranston und spähte über die Absperrung.
    »Eine Legende aus Norfolk«, sagte die Frau. »Die Pestjungfrau ist ein Gespenst, das durch die Luft fliegt wie eine bläuliche Flamme und haltmacht, wo es will. Dort nimmt es menschliche Gestalt an, geht von Haus zu Haus und bestreicht Türen und Fenster mit ihrem Fiebergift. Manchmal sieht man sogar ihr blutrotes Kopftuch im Winde flattern. Wer es sieht oder berührt, stirbt noch am selben Tag.«
    »Was hat dein Richard von Wallingford dazu zu sagen?« fragte Cranston sarkastisch.
    »Etwas ganz Ähnliches«, antwortete Athelstan.
    Er wollte auf die Schranke zugehen. Einer der Schützen spannte den Bogen. Athelstan hob beschwichtigend die Hand und wich zurück. Seufzend wandte er sich zum Weitergehen. »Richard von Wallingford berichtet etwas ganz Ähnliches«, wiederholte er. »Er spricht von schwarzen Hunden, die durch die Nacht streifen, mit glühenden Augen und räudigem Fell. Jedes Zeitalter hat seine eigenen Zeichen und Wunder im Zusammenhang mit der Pest.«
    »Ich weiß«, sagte Cranston, eifrig darauf erpicht, an der Seite der hübschen Alison zu gehen. »Als ich ein Dreikäsehoch war, erzählte mein Großvater, die Pest komme auf einem schwarzen Pferd über die London Bridge geritten oder in einer schwarzen Barke die Themse herabgeschwommen.«
    »In Epping«, ergänzte Alison, »halten die Bauern die Pest für einen Schnitter, der mit seiner Sense die Erde aufschneidet und Schlangen, schwarzes Blut und ekelhaftes Gewürm hervorquellen läßt. Im vorigen Jahr, als die Pest in der Stadt war, hörte man ein jammervolles Heulen auf dem Friedhof, und etliche Leute sahen Gespenster über die Wiesen tanzen. Ein Schankwirt behauptete, er habe dreißig Särge säuberlich aufgereiht gesehen, ein jeder mit einem

Weitere Kostenlose Bücher