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Tödliches Rätsel

Tödliches Rätsel

Titel: Tödliches Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
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Coroner die Flucht ergriffen. Er bot einen furchterregenden Anblick mit seinem roten Gesicht, dem gesträubten Schnurrbart und dem blanken Dolch. Flaxwith war hereingestürzt, gefolgt von dem knurrenden Samson, der gleich rechts und links nach den Waden schnappte.
    Sir John funkelte Dame Broadsheet an, die bei all ihrer hochfahrenden Pose jetzt zitternd unter dem beängstigenden Blick des Coroners auf einem Schemel saß.
    »Versteht Ihr, was ich sage?« brüllte Cranston, die Hände in die Hüften gestemmt.
    Dame Broadsheet blinzelte.
    »Ich will es gleich noch einmal sagen«, fuhr Cranston fort. »Ihr, Madam, werdet zwei Tage am Pranger stehen. Eure Damen ebenfalls. Dieses Haus wird verschlossen und versiegelt, und alle bewegliche Habe darin wird man in einen Keller im Rathaus schaffen!«
    Dame Broadsheet starrte in Cranstons eisblaue Augen. Sie wußte, daß dieser integre Mann mit Geld oder guten Worten nicht zu bestechen war. Aber sie kannte seine schwache Stelle: Ihre Unterlippe begann zu zittern, und zwei dicke Tränen rannen ihr über die Wange. Cranston schluckte heftig, was für Dame Broadsheet das Zeichen war, nunmehr die Hände vors Gesicht zu schlagen und hemmungslos zu schluchzen. Wie der Chor im Theater, begannen daraufhin auch ihre jungen Damen, die sich in unterschiedlichen Stadien der Entkleidung befanden, laut zu weinen, und gleich stimmten Köchinnen, Küchenmägde und Schankdirnen ein. Ein paar der Frauen fielen sogar auf die Knie und rangen beschwörend die Hände. Cranston schaute sich um. Selbst Samson legte den Kopf in den Nacken und heulte traurig.
    »Oh, wehe uns, Sir John!« Dame Broadsheet ließ die Hände vom Gesicht sinken. »Und wehe dem Tag, da ich geboren wurde! Oh, Sir John, es tut uns leid!«
    Cranston starrte in die schönen, tränenfeuchten Augen, und seine Wut verebbte. Das Geheul wurde immer lauter, und Samson, den Kopf im Nacken und die Kehle gestrafft, heulte aus Herzenslust mit. Flaxwith machte ein klägliches Gesicht. Cranston ließ sich auf einen Schemel fallen.
    »Ruhe!« brüllte er. »Bei allem, was heilig ist: Ruhe!«
    Das Geheul verstummte. Dame Broadsheet schaute Sir John unter flatternden Wimpern tränenreich an.
    »Ihr seid eine Dirne!« stellte er fest.
    »Sir John, Ihr saht so tapfer aus«, gurrte sie. »Wie Ihr da die Treppe hinaufstürmtet, kampfbereit, mit eingelegter Lanze.« Sie sah den warnenden Ausdruck in Cranstons Blick. »Ein wahrer Ritter. Lady Maude muß eine glückliche Frau sein«, fügte sie hastig hinzu. Sie hob die Hand und schnalzte mit den Fingern. »Erfrischungen für Sir John. Eine kleine Fleischpastete, Mylord Coroner?«
    Cranstons Zorn verflog vollends. Er ging zu einem Platz am Fenster, und Dame Broadsheet begleitete ihn. Auf irgendeine Weise hatten sich die oberen Knöpfe an ihrem Kleid geöffnet, und wenn er gewollt hätte, so hätte Cranston einen Blick auf weiche, üppige Brüste werfen können. Hüstelnd drohte er mit dem Finger, und Dame Broadsheet, prüde wie eine Nonne, knöpfte die anstoßerregenden Knöpfe rasch wieder zu. Sie schaute zu, wie Cranston in die Pastete biß und von seinem Wein trank.
    »Ich wußte nicht, daß er da war«, begann sie, als Sir John seinen Teller von sich schob.
    »Doch, das wußtet Ihr«, erklärte Sir John. »Ihr wißt, wer der Vikar der Hölle ist, Dame Broadsheet: ein amtsenthobener Priester, ein Gauner, der mehr hinterhältige Teufeleien auf dem Kerbholz hat als ein ganzes Dorf voller Schurken. Ein Dieb, ein Betrüger, ein Hehler und Schmuggler!«
    »Aber mit einem goldenen Herzen.« Dame Broadsheet klapperte mit den Lidern. »Er hat ein Herz aus Gold, Sir John. Er hätte Euch mit seiner Armbrust töten können.«
    »Nun, der Vikar der Hölle wird warten müssen, nicht wahr?« Cranston nahm den Weinbecher und lehnte sich an die Wand. »Aber es ist gut zu wissen, daß er wieder in der Stadt ist. Wenn er in London ist, kann man ihn auch fangen. Als ich das letzte Mal von ihm hörte, leitete er Wallfahrten zu St. Eadric’s Brunnen, der angeblich im Herzen von Ashdown Forest lag. Aber es gibt gar keinen St. Eadric, und ganz bestimmt keinen solchen Brunnen.«
    Dame Broadsheet senkte den Kopf, um ihr Lächeln zu verbergen.
    »Doch ich bin nicht hier, um über den Vikar der Hölle zu reden«, fuhr Cranston fort. »Und meine Drohung bleibt bestehen. Helft Ihr mir nicht, Madam, so komme ich morgen mit den Bütteln wieder.«
    »Wobei soll ich denn helfen?« fragte sie mit hochgezogenen Brauen.
    »Vor drei

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