Tödliches Rendezvous - Maxian, B: Tödliches Rendezvous
hören, wenn sie um Hilfe rief.
Reden. Sie musste Brenneis am Reden halten und versuchen, irgendwie aus dieser Nummer rauszukommen. Und sie musste ihm dabei in die Augen sehen können.
» Also gut, Herr Brenneis«, lenkte sie ein, mit Betonung auf den Namen. Sie horchte auf seine stumme Antwort, bevor sie ihn zum Reden aufforderte. » Erzählen Sie mir, warum.«
Sie hörte, wie er Platz nahm. » Würden Sie mir bitte die Augenbinde abnehmen, Harald? Ich darf Sie doch so nennen, oder soll ich Albo sagen?«
» Zynisch bis zum Schluss.«
Sie hörte, wie er wieder aufstand, dann spürte sie seine Hände an ihrem Hinterkopf, und kurz darauf waren ihre Augen frei. Sie blinzelte. In der Leichenhalle war es dunkel, nur ein paar Kerzen auf dem Einsegnungsaltar spendeten Licht. Sarah war sich sicher, dass Brenneis sie angezündet hatte. In der Mitte stand ein Sarg, dekoriert mit Blumenschmuck, rundherum lagen Kränze. Alles war für eine Verabschiedung vorbereitet. Für die Angehörigen waren Sesselreihen aufgestellt worden. Brenneis nahm wieder Platz, saß vorgebeugt in der ersten Reihe, seine Ellbogen auf die Knie gestützt.
Sarah rührte sich nicht, besah ihre Fesseln. Ein blaues gedrehtes Seil. Sie sah hoch, starrte Brenneis nur an. Er war ernst, verbissen, es schien, als wären seine Haare grauer geworden. Er hatte den Mantel abgelegt und trug einen dunklen Anzug wie ein Trauergast. Der Anblick schnürte ihr den Hals zu. Sie spürte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten.
Nicht weinen.
» Warum?«
» Sie wollen wissen, warum ich das mache? Bevor ich Ihnen eine Antwort gebe, möchte ich Sie etwas fragen. Glauben Sie daran, dass die Politik in diesem Land etwas verändern kann?« Er wartete keine Antwort ab. » Ich habe lange genug zugesehen, wie diese Herren und Damen im Parlament versucht haben, den Karren aus dem Dreck zu ziehen, von Aufschwung gesprochen haben, davon, dass spätestens in einem Jahr die Krise ausgestanden wäre.«
Er machte eine wegwerfende Handbewegung, sprang auf und durchquerte sichtlich erregt die Halle. » So ein Blödsinn. Nichts, absolut nichts können diese Idioten tun. Sie sitzen die Krise in ihren teuren Wohnungen und großen Autos aus«, sagte Brenneis sichtlich angewidert.
» Das alles hat aber nichts mit Ihren Opfern zu tun«, erwiderte Sarah. » Sie haben unschuldige Menschen auf dem Gewissen. Ist Ihnen das überhaupt bewusst?«
Brenneis zuckte mit den Achseln. » Niemand ist unschuldig auf dieser Welt. Natürlich könnte man jetzt sagen, die Frauen waren Opfer des Systems, sind durch den Rost unseres Sozialsystems gefallen. Aber glauben Sie wirklich, Frau Pauli, mein Plan würde so gut funktionieren, wenn ich begonnen hätte, Politiker zu töten? Zu viel Publicity. Außerdem, was ist das für ein hässliches Wort: töten. Ich habe den Frauen den Weg in eine bessere Welt ermöglicht. Eine Welt ohne Sorgen, Sozialhilfe und Notstand.«
» Das glauben Sie jetzt aber selber nicht.«
Er lachte heiser. » Natürlich nicht. Aber es klingt doch gut, finden Sie nicht?«
» Warum nur Frauen?«
Brenneis schüttelte den Kopf, als hätte er ein kleines Kind vor sich. » Ganz einfach. Weil Frauen nun mal schwieriger zu vermitteln sind. Das ist doch ein Grund, finden Sie nicht auch? Aber Sie haben Recht. Warum sollte ich mich nur auf Frauen beschränken? Ist Ihnen wohler, wenn ich Ihnen verspreche, ab sofort auch Männer auf meine Liste zu setzen?«
» Sie sind wahnsinnig.«
Seine Augen funkelten Sarah bösartig an. » Nein, Frau Pauli. Ich bin nicht wahnsinnig. Ich bin Realist. Wie lange, glauben Sie, können wir uns die vielen Arbeitslosen noch leisten? Ihre Krankheiten? Ihre nicht vorhandene Produktivität? Wie lange kann sich das ein Staat wie Österreich leisten? Ich sage es Ihnen. Gar nicht mehr. Das Land geht vor die Hunde.«
» Daran sind aber nicht die arbeitslosen Menschen schuld!«, schrie Sarah.
» Opfer müssen gebracht werden. So ist das nun mal, in jeder Krise.«
» Du lieber Himmel! Was Sie hier tun, ist nichts anderes als simpler Mord, begreifen Sie das doch.«
Brenneis packte Sarahs Haare, zog ihren Kopf nach hinten und beugte sich über sie. Ihre Gesichter waren nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt. Sie konnte seinen Atem riechen – Thunfisch mit Zwiebeln – und die Schweißperlen auf seiner Stirn sehen. » Wissen Sie, wer nach Ihnen auf der Liste steht?«
Sarah starrte ihm angstvoll in die Augen. Sie wollte den Namen nicht hören.
» Sabine
Weitere Kostenlose Bücher