Tödliches Vermächtnis - Lethal Legacy
haben noch nicht mal eine Festnahme.«
Wir bearbeiteten den Fall der neunzehnjährigen Kayesha Avon, die vor fast acht Jahren vergewaltigt und ermordet worden war. Der Fall war längst ad acta gelegt worden, aber vor kurzem hatte man durch den Abgleich des DNA-Profils eines Mannes namens Jamal Griggs in der Datenbank eine bemerkenswerte Übereinstimmung festgestellt, was Mike dazu veranlasst hatte, die Ermittlungen wieder aufzunehmen.
»Jamal Griggs gefällt es nicht, dass wir uns so für seinen Familienstammbaum interessieren«, sagte ich.
Jamal und sein Bruder Wesley - uns auch unter dem Namen »das Wiesel« bekannt - waren im Verlauf
ihres Erwachsenenlebens immer wieder mit der Justiz in Konflikt geraten. Obwohl - oder vielleicht gerade weil - Jamal bereits als Jugendlicher wegen Mordes überführt worden war, hatten er und Wesley sich einer Gruppe von Drogendealern um die mittlerweile verstorbenen Gangsterrapper Biggie Smalls und Tupac Shakur angeschlossen.
»Ich habe Einsicht in die kalifornische Datenbank beantragt, um mehr über Wesleys DNA herauszufinden und damit wohl einen wunden Punkt getroffen. Jamals neuer Anwalt hat ein Ersuchen auf die Ablehnung meines Antrags gestellt. Ich brauche dich und Mattie Prinzer für meine Beweisführung«, sagte ich. Mattie Prinzer war die forensische Biologin und Leiterin des gerichtsmedizinischen Labors.
»Jamal hat einen neuen Anwalt? Bisher war er doch das perfekte Aushängeschild für den Rechtshilfeverein. Wie kann der sich einen Anwalt leisten?«
»Mir schwant, wir werden ihn im Gerichtssaal kennenlernen. Das Wiesel hat ihn aus der Stadt der Engel hergeschickt.«
»Erstaunlich, dass Wesley es geschafft hat, aus dem Milieu rauszukommen«, sagte Mike. Der zweiunddreißigjährige Möchtegern-Gangster war vom Crackdealer auf den Straßen von East Harlem zum Musikproduzenten in Hollywood aufgestiegen, während sein kleiner Bruder wegen eines bewaffneten Raubüberfalls auf eine Tankstelle in Queens wieder mal hinter Gittern saß. »Es wäre doch nett, ihm einen entsprechenden Empfang für seine Heimkehr zu bereiten, Coop.«
»Es wird noch eine Weile dauern, bis ich Luftballons aufblase und Einladungen für Wiesels Rückkehr nach New York verschicke«, sagte ich. »Bitte gib Laura diese Laborberichte und sag ihr, sie soll Kopien
davon machen. Ich muss sie der Verteidigung vorlegen, falls Moffett dich und Mattie in den Zeugenstand ruft.«
Mike ging zur Tür und übergab meiner Sekretärin die Fallakte. Wie üblich trug er einen marineblauen Blazer, ein blassblaues Hemd und eine frisch gebügelte Khakihose. Sein gutes Aussehen und unerschütterliches Grinsen ergaben eine anziehende Mischung, und seine Intelligenz, die sich - wie auch bei Mercer - mit Erfahrung paarte, machten ihn zu einem zuverlässigen Partner.
»Du glaubst, dass sie ihn kannte?«
»Hat Kayesha Avon Wesley Griggs gekannt?«, fragte ich.
»Nein, nein, ich rede von Tina Barr. Vielleicht wollte sie nicht mit uns kooperieren, weil sie den Mann trotz der Maske erkannt hat. Oder er hat die Maske in der Wohnung abgenommen. Dann weiß sie vielleicht, in welcher Gefahr sie schwebt und ist deshalb abgehauen.«
Ich studierte den Ermittlungsbericht von Jamal Griggs, um herauszufinden, ob er einen bevorzugten Modus Operandi hatte. »Möglich.«
»Denkst du nicht, dass sie deshalb jetzt in größerer Gefahr ist? Müsstest du nicht für ihren Schutz sorgen?«
»Und wie soll ich das tun, nachdem sie sich so klar und deutlich dagegen ausgesprochen hat? Ich kann sie nicht als Geisel nehmen, wenn sie keine Anzeige erstatten will.«
»Hast du ein paar Polizisten zur Überwachung vor ihrem Haus?«
»Der Dienststellenleiter hat mein Gesuch glattweg abgelehnt.«
»Lass deine Beziehungen spielen, Coop. Im Präsidium gibt es ein paar, die glauben, dass du über Mineralwasser laufen kannst. Du hast doch sicher noch irgendwo einen Gefallen gut.«
»Ja, und vielleicht kannst du meine Bewerbung für den Obersten Gerichtshof weiterleiten, für den Fall, dass eine Stelle frei wird. Das dürfte einfacher sein, als den Polizeipräsidenten dazu zu bringen, einen Streifenwagen vor der Wohnung eines Opfers zu postieren, nachdem die Frau mitten in der Nacht enorme Ressourcen mobilisiert und sich dann ohne Erklärung aus dem Staub gemacht hat.«
Da seit dem Sommer die Anzahl der Gewaltverbrechen gestiegen war, mangelte es sowohl an Personal als auch an Streifenwagen.
»Ich wusste gar nicht, dass man für den Obersten
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