Tödliches Vermächtnis - Lethal Legacy
potenziell Rückfällige auch tatsächlich überwachen.«
Battaglia, der seine Zigarre auch beim Sprechen selten aus dem Mund nahm, dehnte die Mundwinkel, um seine Worte klar und deutlich zu artikulieren. »Und die Opferhilfegruppen? Was halten die davon?«
»Sie sind nicht beeindruckt. Die meisten Kinder werden von Bekannten oder von Vertrauenspersonen missbraucht, nicht von Fremden. Dieser Gesetzesentwurf unterscheidet ja nicht mal zwischen Pädophilen und anderen Sexualstraftätern. Die Opferhilfegruppen werden Ihnen keine Probleme machen, wenn Sie den Vorschlag nicht unterstützen. Versuchen Sie lieber mehr Geld aufzutreiben, damit die registrierten Sextäter rund um die Uhr überwacht werden können. Das ist nämlich das eigentliche Problem.«
Battaglia stand auf und nahm seine Anzugjacke von der Stuhllehne. Das war sein Zeichen, dass das Gespräch beendet war. Ich stand auf, um zu gehen.
»Und was ist mit der Kehrseite?«, fragte er.
»Und die wäre?«
»Na ja, am Halloween-Abend lauern noch andere Gefahren auf die Kinder. Die Täter könnten sich verkleiden, um Kinder oder Jugendliche zu entführen, oder sich kostümieren und selbst an Türen klopfen.«
»Glauben Sie mir, Paul, wir hatten in den vergangenen Jahren nie Probleme am Halloween-Abend. Ende Oktober ist keine Hochsaison für Sexualverbrechen.«
»Sie wollen mich aber nicht vor der Presse bloßstellen, oder, Alex?«
Ich nahm an, dass Battaglia einen Scherz machte, und ging lachend zur Tür. »Das würde mir nicht im Traum einfallen, solange ich noch nicht pensionsberechtigt bin, Paul.«
»Ich mein’s ernst. Das riecht mir da drüben im Rathaus nach einem abgekarteten Spiel.«
Als ich mich zu ihm umdrehte, nahm er die Zigarre aus dem Mund. »Was war das, dieser Wirbel gestern Nacht, Alex? Die Sache mit dem Kerl, der als Feuerwehrmann verkleidet bei einer Frau in die Wohnung eingebrochen ist? Warum haben Sie mir nichts davon erzählt?«
»Na ja, weil wir im Grunde keinen Fall haben, Paul«, sagte ich. Sein Missmut war ihm anzusehen. Ich hatte es zu seinem Ärger versäumt, ihn über eine meiner Meinung nach unbedeutende Sache zu informieren, die jedoch offenbar mit einem politischen Akteur in seiner Umgebung zu tun hatte.
»Es gibt jemanden im Rathaus, der das anders zu sehen scheint. Da ging’s doch auch um einen Überfall, bei dem sich der Täter verkleidet hat?«
»Ich würde Ihnen ja gerne sagen, was passiert ist, aber das Opfer ist leider nicht kooperativ.«
»Kümmern Sie sich drum, Alex. Setzen Sie sich mit ihr in Verbindung. Finden Sie heraus, worum es hier geht.«
Als ich in der Nacht zuvor in dem dunklen Hausflur durch die geschlossene Wohnungstür auf Tina
Barr eingeredet hatte, hätte ich nie gedacht, dass sie einflussreiche Freunde hätte. Nur zu gern hätte ich gewusst, wer sich für sie gegenüber Battaglia eingesetzt hatte - oder aber für den mysteriösen Angreifer, was mich noch mehr beunruhigte.
»Gibt es vielleicht etwas, das ich über Ms Barr wissen sollte?«, fragte ich.
Er rückte seine Brille wieder zurecht und vertiefte sich in ein Memo auf seinem Schreibtisch. Es war ein einfaches Mittel, meine Frage zu ignorieren. Entweder hatte man Battaglia ein paar Informationen zugesteckt und er wartete darauf, dass ich ihm noch mehr verriet, oder die Sache war so heikel, dass er mich nicht einweihen wollte.
Ich versuchte es noch einmal. »Interessieren Sie sich für das Opfer, Paul, oder für den Täter?«
»Solange ich Bezirksstaatsanwalt bin, stelle ich die Fragen, Alexandra. Bringen Sie mir einfach das Mädchen.«
5
Mike und ich bahnten uns im 15. Stockwerk des Gerichtsgebäudes einen Weg durch die Menge der Kriminellen, von denen manche mit ihren Verteidigern diskutierten und andere mit Angehörigen oder Freunden warteten.
»Jemand hat Battaglia wegen Barr nervös gemacht oder scheint etwas über ihren Angreifer zu wissen«, sagte ich.
»Wenn wir hier fertig sind, fahren wir zu ihrer Wohnung.«
»Ich habe gerade Mercer angerufen. Er wird sich dort mit uns treffen.«
Mike zog an dem großen Messinggriff und hielt mir die Tür zum Gerichtssaal in der Gangmitte auf.
Harlan Moffett saß, mit dem Rücken zum Saal, auf der Richterbank und war offensichtlich in das New York Law Journal vertieft. Mattie Prinzer, die erste Frau an der Spitze des gerichtsmedizinischen Kriminallabors, war allein in der ersten Reihe. Es waren keine Zuschauer da, und außer dem Personal befand sich nur ein gut gekleideter Mann im
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