Toedliches Versprechen
sich lenken, deshalb stellte er den Wagen am Straßenrand ab und klappte das Laptop auf, das auf dem Beifahrersitz lag. Er musste nur dem Funksignal des Peilsenders folgen, dann hätte er sie in null Komma nichts eingefangen. Er öffnete das Programm und das blinkende Lämpchen erschien – in Winters Haus.
Verdammt! Entweder hatte sie den Sender gefunden oder ihre Handtasche zurückgelassen. Jetzt hatte er keine Ahnung, wohin sie unterwegs war.
Im Rückspiegel sah er Winters Haus und ein leises Lächeln stahl sich in sein Gesicht. Okay, er hatte sie verloren. Aber eine Möglichkeit gab es noch.
*
Mai 2002
Nadine war … hässlich. Mit einem anderen Wort ließ sich ihr Aussehen nicht mehr umschreiben. Ihr Körper bestand nur noch aus Knochen, die sie unter unförmigen weiten Kleidern verbarg, ihre Wangen waren eingefallen und die Schatten unter ihren Augen tellergroß. Um ihm eins auszuwischen, hatte sie sich die Haare abgeschnitten. Sie hatte sie schwarz gefärbt. Mit ihrer weißen Haut sah sie aus wie der lebendige Tod. Sie dachte, sich mit diesen Veränderungen Ruhe vor ihm erkaufen zu können.
Sie begriff es einfach nicht.
Griffin Gordon würde niemals aufgeben.
Sie hatte sich noch ein paar Mal über ihn beschwert, obwohl sie sich nur zufällig auf dem Campus begegnet waren. Irgendwie musste er ja auch von Vorlesung zu Vorlesung gelangen. Aber seine Vorgesetzten waren langsam genervt von der ständigen Aufregung um seine Person. Der Dekan hatte ihm ans Herz gelegt, darüber nachzudenken, ab dem nächsten Studienjahr an einem anderen College zu unterrichten. Er würde auch eine gute Beurteilung mit auf den Weg bekommen, in der der Zwischenfall mit Miss Montgomery nicht erwähnt werden würde. Einen Moment lang wollte Griffin vor Wut aus der Haut fahren. Doch dann hatte er sich das Angebot durch den Kopf gehen lassen. Das College würde seine Kündigung ohne Zögern und wahrscheinlich mit einem erleichterten Aufseufzen entgegennehmen.
Ihn hielt nichts. Außer Nadine.
Er konnte ihr immer noch eine letzte Chance bieten, auch wenn sie versucht hatte, sein Leben zu zerstören. Wenn sie zusammen mit ihm wegging, konnten sie irgendwo einen Neustart wagen, gemeinsam. Sie konnte ihre Haare wieder wachsen lassen und zunehmen, bis sie wieder die alte Nadine war.
Je mehr er darüber nachdachte, desto konkreter wurde der Plan. Er löste sein Konto auf und hob sein gesamtes Erspartes von der Bank ab, das er in einem Erdbunker im Eichenwald vergrub, damit es bis zu ihrer Abreise sicher war. Dann begann er, sein Leben zusammenzupacken. Nadine würde, kratzbürstig, wie sie war, nicht einfach mitkommen wollen. Er würde sie schon dazu bringen, ihn zu begleiten und sich mit ihr eine Zeit lang an einen Ort zurückziehen, wo sie keiner finden konnte. Eine Berghütte vielleicht. Wenn sie sich an ihn gewöhnt hatte und einsah, dass sie ihn zum Leben brauchte wie er sie, würde er Bewerbungen an andere Colleges schicken und endlich seine Doktorarbeit schreiben.
In den letzten Tagen war Nadine zu keiner Vorlesung gegangen. Er hatte sie zweimal aus dem Büro der Studienberaterin kommen sehen. Sie versteckte sich den Rest der Zeit in ihrem Zimmer.
Griffin wartete bis nach Mitternacht. Er öffnete mit seinem Schlüssel leise ihre Tür. Das Licht brannte. Er hatte sich vorgestellt, sie schlafend zu seinem Wagen zu tragen und loszufahren. Wenn sie erwachte, läge die Stadt weit hinter ihnen. Wenn sie noch wach war, auch gut. Dann könnten sie das, wie vernünftige Erwachsene, klären.
Nadine war nicht in ihrem Schlafzimmer, sie rumorte im Bad herum. Er drückte vorsichtig die Tür hinter sich ins Schloss, um sie nicht zu erschrecken und sah sich im Zimmer um.
Sie hatte gepackt. Sein Herz setzte vor Freude einen Schlag aus. Sie hatte es begriffen und war bereit, mit ihm durchzubrennen. Doch dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Sie wusste nichts von seinem Plan.
Er ging zum Schreibtisch und blätterte durch die Papiere, die darauf ausgebreitet waren. Bescheinigungen der UCLA über die Einschreibung am College, ein Zimmer im Wohnheim. Die Umschreibung ihres Stipendiums auf Los Angeles. Sie wollte abhauen. Sie wollte sich – verdammt noch mal – bei Nacht und Nebel davonstehlen. Eine unfassbare, alles verzehrende Wut kochte in ihm hoch. Sie fraß sich durch seine Eingeweide und ließ ihn nur noch durch einen roten Schleier sehen. Er war mit zwei Schritten im Badezimmer, wo sie ihre Toilettenartikel in
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