Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Tödliches Wasser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu. Xiaolong
Vom Netzwerk:
namenlose Wolken, die einander am Himmel begegnen und dann ihre jeweilige Reise fortsetzen.
    Er war mit Sicherheit nicht der erste, dem diese Metapher in den Sinn gekommen war, doch konnte er sich nicht erinnern, wo er sie gelesen hatte.
    Bevor sie die Straße überquerte, drehte sie sich noch einmal um, winkte und rief ihm, wie zur Entschuldigung für den abrupten Aufbruch, ein »Wiedersehen« zu.
    »Noch ein Bier?« Onkel Wang trat wieder aus der Küche und musste feststellen, dass der Tofu kaum angerührt worden war. »Ich kann ihn noch mal kurz anbraten.«
    »Nein, danke. Bloß ein Bier«, erwiderte Chen. »Sie kennen sie?«
    »Ihre Eltern, um genau zu sein. Nach dem Abschluss wurde ihr hier in Wuxi eine Stelle zugeteilt. Sie ist ganz allein in der Stadt. Deshalb kommt sie mittags her. Ich wärme nur das Essen auf, das sie morgens vorbeibringt.«
    »Was macht sie denn?«
    »Sie ist Ingenieurin. Irgendwas mit Umwelt. Ein harter Job. Selbst am Wochenende muss sie arbeiten. Warum ist sie so plötzlich verschwunden? Worüber haben Sie gesprochen?«
    »Sie bekam einen Anruf. Irgendeine üble Drohung. Daraufhin ist sie gegangen.«
    »Ich weiß, dass es Leute gibt, die sie nicht mögen.«
    Dann war der Anruf wohl doch eher eine Warnung als ein schlechter Scherz. Aber er kannte diese Frau ja kaum. Was hatte das alles mit ihm zu tun?
    Mit dem letzten Bier spülte er auch die Neugierde des Polizeibeamten hinunter. Schließlich war er hier auf Urlaub.
    Und der ließ sich gar nicht schlecht an.

2
     
    AM NÄCHSTEN MORGEN weckte Chen ein Klopfen an der Tür, die sich im gleichen Moment öffnete. Verwirrt saß er in seinem Bett und glaubte zu träumen.
    »Zimmerservice«, verkündete eine junge Frau und lächelte ihn strahlend an. Sie hatte offene Gesichtszüge, eine gute Figur und trug ein Silbertablett mit Kaffee, Toast, Marmelade und Eiern. Offenbar war sie speziell für den Dienst bei ranghohen Kadern zuständig, zu denen er ja keineswegs gehörte.
    Er tastete in der Tasche seiner Hose, die über der Stuhllehne hing, nach Kleingeld, doch so unvermittelt, wie sie gekommen war, hatte sie das Tablett abgestellt und den Raum auf leisen Sohlen schon wieder verlassen.
    Der Kaffee war stark und belebend. Chen fühlte sich wie in einem Fünfsternehotel, nur luxuriöser, schließlich hatte er eine ganze Villa für sich allein.
    Seine erste Tasse Kaffee trank er im Bett und ließ den Blick dabei über die weite Fläche des Sees gleiten, dessen Wasser im Morgenlicht glitzerte.
    Dann läutete das Telefon, ein dezentes Klimpern, das unmittelbar aus der Kaffeetasse aufzusteigen schien.
    Es war Genosse Parteisekretär Zhao, der sich aus Peking meldete.
    »Sie haben hart genug gearbeitet, Genosse Oberinspektor Chen. Jetzt müssen Sie Ihren Urlaub genießen. Vergessen Sie das Präsidium.«
    »Aber dieser Erholungsaufenthalt war doch eigentlich für Sie gedacht.«
    »Ich bin im Ruhestand und habe praktisch jeden Tag Urlaub. Deshalb wird er Ihnen viel mehr nützen. Außerdem können Sie dabei Studien über den sozialen Wandel in unserem Land betreiben. Halten Sie nach problematischen Entwicklungen im Zuge unseres rasanten Wirtschaftswachstums Ausschau. Sie müssen sich auf neue, verantwortungsvolle Aufgaben vorbereiten – nicht unbedingt in Ihrer Eigenschaft als Polizist und auch nicht auf Shanghai beschränkt. Schicken Sie mir am Ende Ihrer Ferien einen Bericht.«
    Das war ein Fingerzeig, und zwar in die richtige Richtung. In der Partei war es üblich, dass man aufstrebende junge Kader »soziale Studien« betreiben ließ, bevor man sie beförderte.
    »Aber ich bin doch völlig fremd hier«, gab Chen zu bedenken. »Die Leute werden mir nicht unbedingt Auskunft geben.«
    »So konkret war das nicht gemeint. Nur ein paar Eindrücke und Beobachtungen. Ich werde dafür sorgen, dass man in Wuxi weiß, unter wessen Obhut Sie stehen.«
    »Vielen Dank, Genosse Parteisekretär Zhao. Ich werde die Augen offenhalten und Ihnen Bericht erstatten.«
    Der Anruf ließ ihn etwas verunsichert zurück. Zhao wollte sicher keine detaillierten Darlegungen aus Sicht des Oberinspektors. Aber wenn er Genaueres über Wuxi erfahren wollte, war es nicht schlecht, eine Art kaiserliches Schwert zur Hand zu haben, das ihm in Wuxi die Türen öffnete.
    Und gleichzeitig würde er den Service für hochrangige Kader genießen. Wer schaute einem geschenkten Gaul schon ins Maul!
    Solange er keine konkreten Pläne für seine Ferien hatte, konnte er sich ebenso gut um den

Weitere Kostenlose Bücher