Töten Ist Ein Kinderspiel
Seitenstraße wohnen. Entweder sind deine Nachbarn nach rechts mutierte, akademisch arrivierte Altachtundsechziger, alter Adel oder Schönheitschirurgen.“
Berger parkte vor einem kleineren Haus, dessen Grundstück sowenig einsehbar war wie die übrigen in der kopfsteingepflasterten Straße. „Hier ist es.“
„Wie bezahlen die das?“
„Sie ist bei der Kirche angestellt gewesen, und er immerhin Staatsdiener“, erwiderte Berger. Und fügte hinzu: „An der richtigen Stelle.“
„Wo genau befindet sich die, und woher weißt du das schon wieder?“
„Erkner war so freundlich, im weltweiten Internet zu recherchieren. Ingo Mangold arbeitete bis zu seiner Erkrankung als Referatsleiter im Auswärtigen Amt. Abteilung Entwicklungshilfe, Schwerpunkt Lateinamerika. Seit drei Monaten ist er krankgeschrieben.“
„Und das steht alles im Internet?“, fragte seine Chefin erstaunt, bevor sie auf die Klingel neben dem schmiedeeisernen Gartentor drückte.
„Nein. Letzteres habe ich im Ministerium erfragt.“ Und bevor sie nachsetzen konnte: „Heute Morgen, telefonisch bei der Personalstelle, da gibt es tatsächlich noch Menschen, die dafür bezahlt werden, Auskünfte zu erteilen.“
Das Summen des Türöffners verhinderte Nowaks Kommentar, und beide betraten nacheinander einen von hohem Bambusgras zugewachsenen schmalen Weg, der zur Haustür der Familie Mangold führte, wie auf einem aus Salzteig gebackenen Schild zu lesen war. Die Kommissarin erinnerte sich mit Schaudern daran, wie vor vielen Jahren ihre inzwischen erwachsene Tochter mit einem brezelähnlichen Ungeheuer aus der Schule gekommen war, auf dem ihr Name gestanden und für das sie im Kunstunterricht eine schlechte Note kassiert hatte. Es hatte sie sämtliches mütterliches Aufmunterungsgeschick gekostet, Marit davon zu überzeugen, dass sie keine zwei linken Hände hatte und eine Vier in Kunst kein Weltuntergang war.
Auf der obersten Treppenstufe, in der Haustür der Mangolds an den Türrahmen gelehnt, stand eine vielleicht Fünfzehnjährige mit verweintem Gesicht. Der Schrecken des Todes war diesem Mädchen bereits in die Glieder gefahren, zuckte an den Fingern, die nervös an den Schnüren der ausgebeulten Jogginghose zupften, und stand in den hellen Augen, die sie von ihrem Vater geerbt haben musste.
„Hallo“, sagte sie und es klang ein wenig trotzig. „Ich bin Sara.“
„Hallo, Sara. Mein Name ist Inge. Inge Nowak.“ Sie gab dem Mädchen die Hand und drückte sie leicht. „Ich bin Hauptkommissarin und das ist mein Kollege Wolfram Berger. Wir wollen …“
„… herausfinden, wer es war. Ich weiß.“ Sara schluckte und Inge Nowak hätte sie am liebsten spontan in den Arm genommen, ihr über das locker mit einem Gummi zusammengehaltene schulterlange Haar gestrichen und sie für einen Moment einfach festgehalten. Aber das kam nicht in Frage. Selbst ein Teenager war als potenzieller Täter denkbar und sie durfte zu keinem Zeitpunkt die professionelle Distanz zu grundsätzlich Verdächtigen verlieren.
Erst jetzt sah Nowak Ingo Mangold hinter seiner Tochter stehen. Er trug eine helle Leinenhose und trotz der Temperatur eine dünne Strickjacke, die ihm früher einmal gepasst haben mochten, nun aber an seinem Körper herunterhingen, als steckte er in den Kleidern eines Riesen. Die Hände hatte er in den Hosentaschen vergraben und seine Miene zeigte auch an diesem Morgen keinerlei Bereitschaft zur Zusammenarbeit.
Zu seiner Tochter gewandt sagte er jedoch sanft: „Lass uns hier unten mal allein, Sara, wir haben ernste Dinge zu besprechen.“
„Ich möchte dabei sein“, erklärte Sara mit überraschend fester Stimme.
„Das geht nicht, Mäuschen … “
„Nenn mich nicht Mäuschen, Papa. Du hast doch selbst gesagt, Ben und ich müssten jetzt sehr erwachsen sein.“
In dem Gesicht des Mannes ging etwas vor, das Berger nicht deuten konnte. Aber er hielt es für angebracht, einzuschreiten.
„Wir müssen mit allen Familienmitgliedern einzeln sprechen. Das ist Vorschrift“, erklärte er sachlich. „Nachdem wir uns mit Ihrem Vater unterhalten haben, würden wir Sie gerne um ein Gespräch bitten.“
Die Tatsache, dass er das Mädchen gesiezt hatte, und die Art, wie er sie dabei angesehen hatte, wirkten Wunder.
„Okay“, willigte sie weniger abweisend ein. „Ich bin oben in meinem Zimmer.“ Damit verschwand sie in Richtung Treppe und Berger betrat vor Inge Nowak unaufgefordert das Haus.
Ingo Mangold ging nicht weiter auf das
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