Töten Ist Ein Kinderspiel
Zwischenspiel mit seiner Tochter ein und bat den Besuch in ein Wohnzimmer, das auf eine Terrasse hinausführte. Der Raum glich einem Krankenzimmer und dementsprechend roch es: Eine Mischung aus Antiseptikum und verbrauchter Luft, aufgeheizt von der Außentemperatur, die mit Sicherheit bereits auf über fünfundzwanzig Grad geklettert war, verschlug Inge Nowak beim Betreten fast den Atem. Zu gerne wäre sie auf die Terrasse in den Garten hinausgetreten, aber Ingo Mangold bot ihnen drinnen einen Platz auf dem Sofa an. Gegenüber stand ein frisch bezogenes, mobiles Krankenbett auf Rollen. Der Raum war penibel aufgeräumt, verschiedene Medikamentenschachteln lagerten auf einer Kommode, vor der ein Infusionsständer stand, und die Anordnung der Möbel im Raum deutete darauf hin, dass hier gegessen, geschlafen und ferngesehen wurde.
„Mein Reich“, erklärte Ingo Mangold mit einer kurzen ausladenden Geste. „Letzte Ruhestätte vor dem Freiburger Friedhof.“
„Sie kommen aus Freiburg?“
„Nein. Ich ende in Freiburg. Die einzige Stadt in meinem Leben, in der ich halbwegs glücklich gewesen bin.“ Er wandte sich ab und sah aus dem Fenster.
„Und wo haben Sie Ihre Frau kennengelernt?“, fragte sie nach.
„Dort. Bei einer Entwicklungshilfekonferenz. Vor neunzehn Jahren.“
Die Kommissarin rechnete kurz nach. Dann war Erika Mangold dabei sehr wahrscheinlich schwanger geworden.
„Eine Liebesheirat?“, fragte sie nach.
„Finden Sie, das geht Sie etwas an?“ Er wirkte nicht wirklich aggressiv, eher gleichgültig.
„Mich geht alles etwas an, Herr Mangold. Ich ermittle in einem Mordfall.“
„Dann tun Sie das auch und verplempern Sie Ihre Zeit nicht damit, einen todkranken Witwer in seiner Trauer zu stören.“ Noch immer passte sein lakonischer Tonfall nicht zu dem, was er sagte.
Berger und Nowak tauschten einen kurzen Blick.
„Wie Sie meinen.“ Die Kommissarin lächelte. „Warum sind Sie gestern Abend zu Ihrer Frau in die Kirche gefahren?“
Erschöpft fuhr sich Ingo Mangold mit der Hand über die Augen. „Meine Tochter hat mich angerufen. Erika hatte sie nicht wie verabredet abgeholt. Daraufhin habe ich versucht, meine Frau telefonisch zu erreichen, aber sie ist nicht an ihr Handy gegangen.“ Er nahm einen kleinen Schluck Wasser aus dem Glas, das auf dem Tisch vor ihm stand. „Erika war sehr zuverlässig. Sie hätte Sara nicht einfach warten lassen, ohne sich zu melden. Da habe ich mir Sorgen gemacht.“
„Woher wussten Sie denn, wo Sie war?“
„Ich wusste es nicht, ich dachte es mir.“
„Und Ihre Tochter“, wollte Erkner wissen, „wie ist die nach Hause gekommen?“
„Mit den Eltern einer Freundin aus dem Hockeyverein. Sie haben sie nach Hause gebracht.“ Mangold schloss die Augen. „Sonst noch irgendetwas?“
„Wenn Sie noch so freundlich wären, Ihre Tochter zu holen. Und halten Sie sich später bitte noch einen Augenblick bereit, damit wir Ihre Fingerabdrücke abnehmen können.“
Überrascht öffnete Ingo Mangold die Augen wieder und für einen Moment schien es, als wollte er etwas sagen. Dann aber stand er auf, um gebeugt und mit langsamen, kleinen Schritten das Zimmer zu verlassen.
„Kluger Zug“, bemerkte Berger und stellte sich an die Schwelle der Terrassentür, um frische Luft zu schnappen. Der Garten machte einen wilden und doch gepflegten Eindruck. Hier wurde regelmäßig gegossen, und auch die Rosen würden nicht mehr blühen, hätte sie niemand zurückgeschnitten. Bunte Sommerblumen und Stauden wucherten auf kleinen Inseln in einer länger nicht gemähten Wiese, in deren Mitte Berger einen kleinen Teich ausmachte. Es summte und flatterte, die bunten Blätter und das Wasser zogen alle Arten von Insekten an, die auch vor der Terrasse und Berger nicht Halt machten. Ein Nachteil der Natur, wie er fand.
Kurz darauf erschien Sara im Wohnzimmer und setzte sich an die Stelle auf das Sofa, wo zuvor ihr Vater gesessen hatte.
„Kannst du uns etwas über deine Mutter erzählen?“, fragte Inge Nowak behutsam.
„Sie meinen: über meine Eltern. Ob ich meinem Vater zutraue, dass er sie umgebracht hat?“ Das Mädchen sah sie herausfordernd an, und Inge Nowak war erstaunt über die Wut in ihrem Blick.
„Wenn du willst, auch das.“
Sara kaute an ihren Fingernägeln. „Sie haben sich immer gestritten, wenn sie alleine waren. Nach dem Essen, im Urlaub am Strand, sonntagnachmittags. Über alles und nichts, über meinen Bruder und mich, über den Garten, über Oma und Opa.
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