Töwerland brennt
ich schon bei meinem Besuch in seiner Wohnung
misstrauisch werden sollen. Die Bude sah nicht so aus, als ob ein Student darin
wohnte. Aber er hat mich überzeugt. Und ich wollte ihm doch so gerne glauben.«
Enno Altehuus zeigte ihr das Foto, auf dem sie mit Knut Tohmeier
abgebildet war. »Und das ist bei dieser Gelegenheit entstanden.«
»Ja. Ein Nachbar von Knut hat es während eines Stadtteilfestes aufgenommen.«
Sie nahm das Bild zur Hand, schaute lange darauf. »Der Tag war wunderschön.«
Dann verzerrte sich ihr Gesicht. Voller Wut zerknüllte sie den Ausdruck und
warf ihn an die Wand. »Dreckskerl. Er hat mich nur benutzt.«
»Wie bist du an die K.-o.-Tropfen gekommen?«
»Du erinnerst dich an unseren Angestellten, der einen Gast betäubt
hat?«
»Ja.«
»Die Kripo hat damals sein Zimmer durchsucht und auch eine Ampulle
gefunden. Er hatte aber noch eine zweite in seinem Spind im Keller versteckt.
Die müssen deine Kollegen übersehen haben. Beim Saubermachen haben wir sie
einige Tage später gefunden. Ich wollte sie immer bei dir vorbeibringen, habe
es dann vergessen.« Sie seufzte tief. »Erst als ich die Unterlagen nach dem Tod
meiner Mutter las …«
»Welche Unterlagen?«
»Anwaltsbriefe. Mein Vater hat Knut finanziell unterstützt. So bin
ich ihm auf die Schliche gekommen.«
»In eurer Familie wurde nicht darüber gesprochen, dass dein Vater
einen weiteren Sohn gezeugt hat?«
Heike Harms lachte auf. »Undenkbar. Für meine Mutter wäre das eine Katastrophe
gewesen. Was hätten denn die Leute getuschelt? Das war schon immer ihre einzige
Sorge gewesen. Nein, dieser Vorfall«, sie spuckte das Wort förmlich aus,
»musste mit allen Mitteln totgeschwiegen werden.«
»Du hast also den Namen Knut Tohmeier früher niemals gehört?«
»Nein. Erst als wir in Dortmund in seiner Wohnung waren, wusste ich,
wie er mit vollem Namen hieß.«
»Ich habe dich unterbrochen. Du hast dich also an die K.-o.-Tropfen
erinnert.«
»Ja.« Erneut der Griff zu einer Zigarette. »Du musst dir meine Situation
vor Augen führen. Als ich den Beweis in Händen hielt, mit meinem Halbbruder ins
Bett gegangen zu sein …« Sie machte eine Pause, fasste sich dann aber schnell
wieder. »Ich habe ihn unter dem Vorwand, mit ihm einige Tage zu segeln, auf
mein Boot gelockt. Dort habe ich ihn mit meinem Wissen konfrontiert und von
meiner Enttäuschung und vor allem Scham gesprochen. Er hat mich nur ausgelacht,
kannst du dir das vorstellen? Da habe ich die Tropfen in sein Bier gemischt.«
»Du hast also ganz spontan aus deiner Erregung heraus gehandelt?«
Heike Harms blickte erst auf den Polizisten, dann zeigten ihre Augen
auf den Rekorder. Altehuus verstand und unterbrach die Aufnahme.
»Das ist lieb von dir, Enno«, sagte sie traurig. »Aber du musst
nicht versuchen, mir zu helfen. Deinen
Vorgesetzten dürfte nicht gefallen, dass du mir die richtigen Worte in den Mund
legen willst. So, und nun schalte das Gerät wieder ein.«
Als die LED signalisierte, dass die Aufnahme wieder lief, setzte
Heike Harms ihre Aussage fort. »Nein, ich wollte ihn umbringen. Ich wollte nur
noch wissen, warum er so gehandelt hat. Obwohl ich es eigentlich schon ahnte.
Es war Rache. Er gab mir und meiner Familie die Schuld an seinem persönlichen
Unglück.«
»Und weiter?«
»Der Rest ist schnell erzählt. Als er bewusstlos wurde, habe ich ihn
ausgezogen und gefesselt. Dann bin ich ausgelaufen. Im Watt schließlich habe
ich mich in der Nacht trockenfallen lassen und Knut im Schlick eingegraben. Er
sollte langsam sterben. Und in seinem Todeskampf Juist sehen.« Sie zögerte. »Da
ist noch etwas.«
»Ja?«
»Du kennst doch die Erpresserbriefe, die Gerrit geschrieben hat.«
»Ja.«
»Er muss von Tohmeier gewusst haben.«
»Warum?«
»Diese Limericks sind voller Anspielungen auf Knut. So sollte der
Verdacht auf ihn gelenkt werden. Gerrit beabsichtigte, ihm die Schuld an dem
Brand, den er ja selbst legen wollte, in die Schuhe zu schieben. Aber das hat
nicht funktioniert.« Sie lachte bitter. »Er muss die Schreiben von Vaters Notar
gekannt haben. Stell dir das vor: Meine Mutter wusste davon, mein Bruder auch.
Nur ich nicht. Hätten sie mich eingeweiht, wäre vieles nicht passiert. Aber das
macht nur noch einmal deutlich, dass ich eigentlich nie richtig zur Familie
gehörte.«
Mit einer energischen Bewegung drückte sie die Zigarette aus. »Enno,
ich bereue nichts. Er hatte seine Rache, ich meine. Ich weiß nur nicht, wer von
uns beiden das bessere
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