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Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
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und Passwörter des Projekts. Aber sie wusste ebenso wenig wie Fake ID , wo sich die besagte Funktion im Code verbergen sollte. In ihren Augen hatte sich die flexible Formel bislang dadurch ausgezeichnet, dass sie einem Chamäleon gleich unendlich viele Zustände vermessen und in einen Zahlenwert bannen konnte. Und nun benötigte sie einen Fixpunkt, eine Art digitales Urmeter?
    »Ich habe Zugang zu ihm«, ertönte es aus Videofenster Nummer sechs. Das Bild der verzweifelten Melissa war verschwunden. Stattdessen sah man einen Mann, der alle anderen Videokonferenzteilnehmer im Alter deutlich übertraf. Er verbeugte sich höflich.
    Ein Hacker! Das musste ein Hacker sein!
    Samyia Prakesh alias NoReply kämpfte ihre kurz aufwallende Nervosität nieder und rief das mitprotokollierende Logbuch auf. Schon bei flüchtigem Hinsehen erkannte sie, dass der Mann einen ordnungsgemäßen, ja von ihr selbst zugeteilten Port benutzte. Er konnte sich nicht eingehackt haben.
    »Wer bist du?«, fragte sie stirnrunzelnd.

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    71
   Valley Hills
Freitag, 30.   Juli, 10   :   15
    Trotz seines Jetlags hatte Walter Weinberger in der ersten halben Stunde schon drei schriftliche Dossiers durchgearbeitet. Auch in seinem Büro gab er Papier den Vorzug vor elektronischen Medien, und als ihm Mrs. Binkie ein Telefonat aus Washington avisierte, erwog er kurz, auch die Regierung auf den sicheren Briefverkehr zu verweisen. Dann aber nahm er den Anruf entgegen. Am anderen Ende meldete sich jener Bürohengst aus dem Außenhandelsministerium, der ihm sechs Wochen zuvor den überflüssigen Stress mit Toggle Books beschert hatte.
    »Gute Nachrichten«, erklang es aus dem Hörer. »Die deutsche Regierung hat versprochen, uns keinen Handelskrieg mehr zu erklären. Scannen Sie, was immer Sie wollen. Dem Ministerium ist es völlig egal.«
    »Sie meinen, wir brauchen auch keine Berichte über unsere Technikfolgenabschätzung abzufassen?« Dass das Hearing ergebnislos abgebrochen worden war, unterschlug Weinberger.
    »Brauchen Sie nicht. Treten Sie alles in den Müll.«
    »Versprechungen aus Europa sollte man nicht trauen. Die Regierungen dort sind wankelmütig.«
    »Stimmt, aber erstens reden wir von den Deutschen und nicht von den Italienern, und zweitens ist es eher ein Deal als eine Versprechung. Die Deutschen wollten ein bisschen weniger Zoll auf Porsches zahlen, wir wollten GM helfen, Potus wollte GM nicht helfen und lieber Porsche fahren, was natürlich nicht geht, aber dann haben wir –«
    »Was haben Autos und Bücher miteinander zu tun?«, unterbrach ihn Weinberger.
    »Sie treffen damit den einzig spannenden Punkt in meiner unsäglich langweiligen Arbeit. Ich schnüre Dinge zu einem Paket zusammen, die gar nichts miteinander zu tun haben, und versuche dann, das Paket an Leute zu schicken, die weder ein Paket erwarten noch eines entgegennehmen wollen.« Weinberger wurde langsam ungeduldig, dieser Kerl redete ihm zu viel. »Ganz andere Sache«, erklang es nun aus dem Hörer. »Man hört, Toggle kommt nächste Woche mit einem richtigen Knaller raus. Womit dürfen wir rechnen?«
    Weinberger schwieg.
    »Muss sich das Ministerium auf europäische Proteste einstellen, wie immer, wenn Sie in Valley Hills eine neue Idee ausbrüten?«, versuchte der Mann seine private Neugier hinter dienstlichen Belangen zu verstecken.
    »Stellen Sie sich Entlassungen von Ministerialbeamten in historischen Größenordnungen vor«, fauchte Weinberger. »Wir werden den Regierungsprozess automatisieren.«
    Wer ›Potus‹ sagte, um bei seinem Gegenüber Eindruck zu schinden, war ein Idiot. Jedes Kind wusste, dass das Akronym den President Of The United States meinte. Die meisten, die vom Potus sprachen, waren aber selbst nie näher als eine Meile an ihn herangekommen.
    Weinberger schon. Er knallte den Hörer auf die Gabel.

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    72
   Valley Hills
Freitag, 30.   Juli, 10   :   30
    »Wer bist du?«, fragte Samyia Prakesh alias NoReply den unbekannten Mann.
    »Eine berechtigte Frage! Nun, ich bin der Ersatzmann für LogIn. Der Anregung von Kingfish folgend, werde ich mich LogOut nennen. Ich denke, das ist zugleich eine angemessene Hommage an ein Teammitglied, das sich vorbildlich für unser Projekt einsetzt … eingesetzt hat.«
    »Mit welcher Kennung hast du dich eingewählt, LogOut?«, fragte NoReply stirnrunzelnd.
    »Mit einer von LogIn autorisierten Variante«, sagte der Mann. »Vergleichen wir es mit einem Geschworenengericht: Fällt einer von zwölf aus,

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