Toggle
dürfen und liebte ihn wegen seiner Wendigkeit, seiner Tiefflugeigenschaften – bis auf 33 Meter konnte man sich herabsinken lassen – und der Fähigkeit, auf holprigen Graspisten starten und landen zu können. Ein späterer Vorstoß, den kleinen Jet für die US – Marine zu empfehlen, die solch ein Flugzeug suchte, scheiterte an den Washingtoner Lobbyisten der konkurrierenden British Aerospace. Aber Weinberger stand mit seiner Vorliebe nichtalleine. Wegen des für einen Kampfjet außerordentlich jungen Alters, die letzte Baureihe stammte von 1987, hatte der Flieger eine zweite Karriere bei Privatleuten gemacht. Sportpiloten wie der pensionierte General-Motors-Manager Bob Lutz flogen ihn noch im achten Lebensjahrzehnt, und der Gründer des Getränkekonzerns Red Bull besaß sogar drei Stück davon, die als werbewirksame Kunstflugstaffel auftraten. Praktischerweise konnte Walter Weinberger mit dem Jet auch seine Toggliness demonstrieren, jenen leicht verspielten Unernst, der in der Firma als Ausweis von Kreativität galt.
Dabei war der Ex-Militär alles andere als kreativ. Das hätte auch im Widerspruch zu seiner Aufgabe gestanden. Nominell als Strategiechef des Unternehmens angeworben – ein durchaus dehnbarer Begriff –, baute er seit anderthalb Jahren einen hausinternen Sicherheitsdienst auf. Beim Wachstum von null auf über 23 000 Angestellte, viele davon mit überdurchschnittlich hohem Intelligenzquotienten und ungewöhnlich starker Kränkbarkeit (beides schien miteinander zu korrelieren), waren einzelne Nester, Zellen und Subgruppen entstanden, die sich nicht nur dem Zugriff, sondern sogar der Kenntnis der Geschäftsleitung entzogen. Natürlich konnte man leicht herausfinden, womit sich jeder Einzelne der 23 000 offiziell beschäftigte. Man konnte sogar grob einschätzen, was in jenen 20 Prozent freier Kreativzeit getrieben wurde, die Toggle seinen Entwicklern zugestand. Aber durch Dezentralisierung und liberale Arbeitszeiten bemerkte man nur durch Zufall, wenn sich ein ganzes Team vorsätzlich auf Abwege begab.
So etwas kam vor.
Denn wer Visionen hatte, wollte seine Forschungsergebnisse nicht unbedingt Grin, Cage und Weinberger präsentieren, um dafür einen kleinen Angestelltenbonus zu kassieren, sondern sie lieber gleich als Basis für die eigene Firma benutzen, die sich dank zahlreicher Venturekapitalisten im Silicon Valley problemlos gründen ließ. Diese Art unfreiwilliger Entwicklungshilfe war Toggle ein Dorn im Auge, obwohl Grin und Cage sie einst selbst genossen hatten. Das Patent auf den Suchalgorithmus lag seit Anbeginn bei der Stanford University, ihrer Alma Mater, von ihr hatten sie es zu einem günstigen Lizenzpreis nur geliehen. Doch was man als Arbeitnehmer wertschätzte – ein faires Entgegenkommen des Arbeitgebers –, mochte man als Unternehmer nicht unbedingt selbst praktizieren. Toggle Inc. war schließlich keine Universität, Toggle Inc. war eine Weltmacht, die Geld brauchte, um ihre Expansionspläne zu finanzieren.
Walter Weinberger stieg schwungvoll aus dem Cockpit und nahm von einem wartenden Mechaniker etwas in Empfang, das wie ein höhnischer Kommentar auf seinen spritschluckenden Jet wirkte. Es war eines jener Elektromobile, die zu Toggles neuem Klimaschutzimage gehörten. Drei Dutzend solcher solarbetriebener Vehikel standen für den lokalen Verkehr bereit.
Nachdem er sich seiner Fliegermontur entledigt hatte, gondelte Weinberger mit gemächlichen 30 mph die Charleston Road entlang und bog dann in den Ostparkplatz des Toggleplex ein. Jedes Mal wirkte der postmoderne Architekteneinfall aus den Neunzigern wie ein mitteleuropäischer Hochschulcampus auf ihn. Symmetrische und asymmetrische, geschwungene und kantige Formen wechselten einander ohne Gliederung ab, und wäre das Ensemble eine Webseite gewesen, hätten Toggle-Suchroboter kaum gewusst, wie sie die verwirrenden Signale interpretieren sollten. Der Toggleplex besaß keinen nachvollziehbaren Code. Aber das war nicht die Schuld von Grin und Cage, sie hatten den Gebäudekomplex aus der Insolvenzmasse eines gescheiterten Computerherstellers übernommen. Irgendwie gefiel er ihnen. Er sprach ihren Sinn fürs Unkonventionelle an.
Wie überall in Valley Hills lagen rund um die Gebäude großzügig dimensionierte Parkplätze. Da Weinbergers Elektromobil ohnehin im Freien stehen musste, um seine Solarpanele aufzuladen, ließ er es in der diesigen Morgensonne zurück und fuhr nicht zu den überdachten Schattenplätzen
Weitere Kostenlose Bücher