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Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
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genau das hat unsere historische Quelle im 18.   Jahrhundert als Erste erkannt. Aber selbst wenn nie etwas stillsteht, benötigt man eine Referenzgröße, um die Skala zu eichen. Nennen wir diese Größe einfach den Nullpunkt.«
    Ein paar Köpfe nickten zögerlich. Keiner kam auf die Idee zu fragen, wozu man überhaupt eine Skala für den Wert des menschlichen Lebens brauchte.
    »Trotzdem kann ich den Bedarf nach der historischen Quellenicht sehen«, wandte Fake ID erneut ein. »Okay, das hat jemand vor uns erkannt. Aber wir sind doch viel weiter.«
    »Ich schaffe es nicht«, meldete NoReply frustriert. »Kingfish muss sich in einem Entwicklungsland aufhalten. Er kriegt einfach keinen Kontakt zum Funknetz.«

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    73
   Słubice (Polen)
Freitag, 30.   Juli, 19   :   45
    Der Schlagbaum zwischen Słubice und Frankfurt   /   Oder war schon seit Jahren abgebaut. Über die Konflikte zwischen Zöllnern und Reisenden ließ sich Gleiches leider nicht sagen.
    »Keiner von uns beiden wird den Pokal des größten polnischen Sympathieträgers erringen«, sagte Janek Jabłoński. »Ich nicht – du aber auch nicht!«
    »Ich trete bestimmt nicht in Konkurrenz zu Papież Jan Paweł«, knurrte der Grenzer.
    »Der ist lange tot!«
    »Ob tot oder nicht, unser Papst bleibt der beliebteste Pole aller Zeiten. Wohingegen du alle Chancen hast, der unbeliebteste Pole aller Zollbeamten zu werden.«
    »Warum?«
    »Dauernd fährst du mit unerlaubter Elektronik über die Grenze. Die müssen wir dann für dich lagern, wofür ich mindestens sieben Formulare auszufüllen habe. Nach einem Tag holst du das Zeug wieder ab, um drei Tage später das Spiel zu wiederholen. Ich hasse dich, Janek Jabłoński!«
    »Wir leben in Europa, die Grenzen sind offen. Was müsst ihr mich andauernd kontrollieren?«
    »Stichproben.«
    »Immer bei mir?!«
    »Es gibt nicht viele auffällige Fahrzeuge, die einen so auffälligen Fahrer haben, dass man bei ihnen jedes Mal Anlass zu einer Stichprobenkontrolle sieht.«
    Der Zöllner ging um den postgelben Humvee herum. Jenseits der Grenze galt dieser Geländewagentyp schon seit Jahren als indiskutabel. Nur von Umweltfragen unbeleckte Primitivlinge fuhren solche Spritfresser. Ästheten war ihre militärische Klotzigkeit ein Dorn im Auge, und Radfahrer fürchteten die kantige Karosserie. Janek Jabłoński übertrumpfte die angeborene Hässlichkeit seines Autos noch, indem er alle vier Räder mit unterschiedlichen Radkappen geschmückt hatte.
    »Was hast du heute Verbotenes an Bord?«
    »Lenkwaffen, Raketenwerfer, radioaktive Nachtsichtgeräte«, zählte der Angesprochene auf, »und einen elektronischen Mechanismus, mit dem man über Nacht den Sozialismus wieder einführen kann.« Jabłoński war mit dem Grenzer zusammen zur Schule gegangen. Er konnte sich diesen Tonfall erlauben.
    »Red keinen Blödsinn!«
    »Okay«, gab Jabłoński nach. »Einen Radarwarner.«
    »Ist verboten in Deutschland.«
    »Ich weiß.«
    »Lass ihn hier.«
    »Warum?«
    »Weil ich es gut mit dir meine.«
    Janek Jabłoński seufzte, pflückte ein kleines schwarzes Kästchen vom Armaturenbrett und reichte es dem Zöllner. »Ach ja, und Zyklon B zur Maulwurfvernichtung.«
    »Mir egal.«
    »Das ist in Deutschland wirklich verboten«, sagte Jabłoński und ließ den Motor wieder an. »Bringt gutes Geld auf dem Kleingärtnerschwarzmarkt.«
    In Wahrheit brauchte er kein Geld. Er war ein Toggle-Programmierer der ersten Stunde, er besaß Aktien im Gegenwert von Millionen.
    »Irgendwann gerätst du noch auf die schiefe Bahn«, seufzte der Grenzer. »Und dann wird mir deine Mutter ein Leben lang Vorwürfe machen, dass ich nicht gut genug auf dich aufgepasst habe. Sie glaubt, wir Grenzer könnten jeden aufhalten. Wohin fährst du?«
    »Hamburg«, sagte Janek unwillig. Langsam wollte er wirklich weiter.
    »Hast du genug zu essen dabei?«
    Statt zu antworten, hielt ihm der Programmierer ein Ei unter die Nase.
    »Mach eine Pause unterwegs und iss anständig Fleisch! Was tust du in Hamburg?«
    »Antrittsbesuch bei meinem neuen Chef.«
    »Du hast einen Chef? Kaum zu glauben! Und der lässt dich mit dieser Frisur und so einem Auto herumfahren?«
    »Ich habe Menschen, die sich einbilden, meine Chefs zu sein«, sagte Jabłoński und ließ den Motor aufheulen. »Kümmere dich lieber um die Zigarettenschmuggler da hinten!«
    Er deutete auf einen alten VW – Camper, aus dessen heruntergelassenen Fensterscheiben Tabakrauch quoll. Sein Schulfreund zuckte mit den

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