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Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
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Doch es war ein ungemütlicher Anblick.
    »Andere Option«, dachte Kingfish laut nach. »Das Kraftwerk! Ich haue kurz das Hauptstromkabel durch, dann wird es bei denen da drüben finster und –«
    »… dieser Typ ballert ziellos herum!«
    »Stimmt auch wieder.«
    Kingfish blinkte erneut mit dem Flashlight seine iPhones. Die Reichweite der Leuchtdioden war kein Problem. Das Alphabet der Botschaft schon. Der Pole hatte noch keine plausible Umsetzung gefunden.
    Ziemlich gelangweilt stand der blonde Hotelierssohn neben den beiden Erwachsenen. »Ist Morsen nicht übelst retro?«, meinte er. »Bei uns hat jeder Raum ein Telefon, auch die Bibliothek.«
    »Spitze, Chum!«, ärgerte sich Kingfish. »Wird den Typen mit der Waffe sicher nicht stören, wenn Pia mal kurz telefoniert!«
    »Auf das Telefon kann man auch eine Textnachricht schicken«, verteidigte sich der Junge. »Die steht dann im Display. Ganz unauffällig.«
    »Bingo!«, machte Kingfish. »Nummer?«
    Der Junge dachte kurz über die Zimmernummer der Bibliothek nach und schlug zwei Alternativen vor. Kingfish tippte beide in sein iPhone ein. Dann formulierte er auf knappstem Raum eine Anweisung für Pia.
    »Und wenn meine Frau zufälligerweise anderswohin blickt?«, fragte Holzwanger nervös.
    Der Junge war ans Fenster getreten. »Sie sitzt genau neben dem Tisch mit dem Telefon«, berichtete er.
    »Ist sie nun ein Superhirn oder nicht?« Kingfish wurde allmählich ungeduldig. »Superhirne haben einen erweiterten Wahrnehmungshorizont und eine verlängerte Aufmerksamkeitsspanne. Ich bin selbst eins.«
    »24 Tassen Espresso«, murmelte Holzwanger. »So viel zur erweiterten Aufmerksamkeitsspanne!«
    Aber es stimmte: Pia bekam im täglichen Leben dreimal so viel mit wie er selbst. Galt das auch unter Stress?
    Der Junge drehte sich zu den beiden Männern um: »Machen wir eigentlich ein cooles Spiel hier? So ’ne Art Geocaching?«
    Der Schuss in der Bibliothek lieferte die Antwort. Kingfish kramte aus seiner Hosentasche einen Stapel Plastikkarten hervor und drückte dem Zwölfjährigen eine davon in die Hand. »Hier, bestell dir was Schönes im Legoshop! Und jetzt lass uns alleine.«
    Der Junge zeigte ihm den Vogel und marschierte zum oberen Saalausgang.
    »He, falsche Richtung!«, rief ihm Kingfish hinterher. »Kinder halten sich ab jetzt vom Gewittersteinflügel fern!«
    Murrend drehte der Hotelierssohn bei. Knallend fiel die Saaltür ins Schloss.
    »Aber die da drüben haben auch alle einen erweiterten Wahrnehmungshorizont«, fiel Holzwanger ein.
    »So what!«, kommentierte Kingfish achselzuckend. »Irgendwie muss das Leben ja spannend bleiben.«
    Seltsamerweise fand Pia Gefallen an der Situation. Der bewaffnete Schweizer im Maßanzug hatte etwas derart Bizarres an sich, dass er dabei alles Bedrohliche verlor. Wenn sich hier ein Wendepunkt der Weltgeschichte ereignete, war es mit Sicherheit einer der surrealsten überhaupt. Obwohl: Bei anderen Wendepunkten war Pia nicht dabei gewesen, und Historiker schrieben sich alles schön.
    »Also noch mal zum besseren Verständnis«, wandte sie sich an Jewgenij Jacob Fünfgeld. »Meine dreizehnjährige Tochter Olga ist Mitglied bei Myface –«
    »Sehr gut!«, lobte der Oligarch.
    »… und sie ist es, weil ihre Freundinnen auch dort sind. Das schafft noch kein besonders starkes Band. Irgendwann jedoch gibt es bei Myface etwas, das man sonst nirgendwo bekommt. Also muss man Mitglied werden.« Sie gewann an Fahrt. »Wenn man nun Stück um Stück Zuteilungen aus der realen Welt in die digitale verlegt, entsteht ein unwiderstehlicher Sog. Plötzlich gibt es günstige Versicherungen nur noch für Myface-Mitglieder. Stimmt’s? Dann existieren bestimmte medizinische Angebote überhaupt nicht mehr außerhalb der Community. Der Außenstehende bekommt nichts davon, der Teilnehmer bezahlt alles mit seinen Daten … weil sie wertvoll sind.«
    »Nein, das wäre das geldbasierte alte Modell«, widersprach der Oligarch. »Darauf kann man verzichten. Die Daten werden an niemanden verkauft, sie selbst regulieren den Zugang. Nehmen wir an, Sie bräuchten eine Nierentransplantation. Äußerst knappe Ware! Dann wird nach Maßgabe der Knappheit ein Menschenwert errechnet, bei dem alle verfügbaren Transplantate die Bedürftigen erreichen. Diese müssen ihren Wert eben zuvor erdient haben, um die rettende Niere zu erhalten. Erdient heißt nicht erkauft! Einfach als reicher Mann Geld auf den Tisch zu blättern funktioniert dann nicht

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