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Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
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Tiefen. 1917 wareine schlimme Zäsur. Jüdische Kaufleute unter dem Joch des Bolschewismus – man muss kein Historiker sein, um sich auszumalen, wie meine Urgroßeltern litten. Es ist mir bis heute unbegreiflich, dass sie ihren größten Schatz, Galianis Geniestreich, unbeschadet durch diese Zeit brachten. Man stelle sich vor, ein Dzierzynski hätte die Schrift in die Hände bekommen, gar ein Beria! Italienische Kommunisten, die sie hätten übersetzen können, gab es damals genug in Moskau.«
    Er schüttelte bekümmert den Kopf. Dann hellte sich seine Miene wieder auf.
    »Aber die Geschichte liebt Pointen! Als ich 1957 geboren wurde, hatte sich meine Familie schon so gut assimiliert, dass meine Mutter – sie ist 94! – bis heute an den Kommunismus glaubt. Unbeirrbar! Wenn ich ihr sage, Mamutschka, dein Sohn ist ein russischer Oligarch, einer der tausend reichsten Männer der Welt, dann gibt sie mir eine Ohrfeige. Und hat sie damit nicht recht? Natürlich hat sie! Es ist eine Schande, reich zu sein, ohne etwas daraus zu machen. Es ist aber auch eine Schande, einen Professorentitel zu tragen und nicht weiter als bis zur Mitte eines Textes zu lesen!«
    Jemand drückte die Türklinke herunter und rüttelte heftig daran. Fünfgeld signalisierte seinem Sekretär, sich nicht provozieren zu lassen. Flüeli nickte. Auf ihn konnte man sich verlassen, wenn Sergej andernorts zu tun hatte.
    »Dabei hätte es genügt, den Titel von Galianis Akademieschrift ernst zu nehmen. Er ist ja viel länger als nur ›Unfehlbares System‹. Endet er nicht etwa mit der Verheißung eines gerechten Verteilungsschlüssels aller Güter? Nun, Professor Ranchin?«
    »Natürlich habe ich die Schrift ganz gelesen!«, brauste der Franzose auf. »Aber es bleibt bei der Ankündigung! Im 18.   Jahrhundert versprechen die Titulaturen oft mehr, als sie erfüllen. Das liegt im Stil der Zeit.«
    »Sie haben die Schrift nicht ganz gelesen«, fuhr ihn Fünfgeld scharf an, »weil Sie das gar nicht konnten! Ihnen fehlte der letzte Teil, wohlweislich! Ich wollte der Welt nicht verraten, wie brillant man das System der Ungleichheit fortschreiben kann, um daraus in scheinbarer Umkehrung all unserer Gewissheiten ein System derhöchsten sozialen Gerechtigkeit zu schaffen. Jedenfalls nicht, bevor ich nicht mein Geld an jene Stellen manövriert hatte, an denen es die gewünschte Wirkung erzielt. Zum Beispiel zu Toggle. Zugegeben, die Aktien der Firma sind in starke und schwache gestückelt, damit es Investoren wie mir schwerfällt, sich eine Stimmrechtsmehrheit zusammenzukaufen. Aber was macht das? Die Zeit arbeitet für mich. Wenn ich erst die Mehrheit stimmrechtsschwacher Toggle-Anteile besitze, wird sich die Welt so gewandelt haben, dass auch das Aktienrecht Entscheidungen mit Toggle Democracy erlaubt. Dann senkt sich die Waagschale zu meinen Gunsten. Denn ich habe genügend Gutes im Leben getan, um auch in der neuen Welt ganz oben mitzuspielen.«
    Wieder rüttelte es an der Tür. Flüeli stieß einmal heftig mit dem Schaft der Gyurza dagegen. Das Geräusch verstummte augenblicklich.
    »Ich höre Ihnen wirklich gerne zu«, sagte Pia ruhig. »Aber können Sie bitte Ihrem Adlatus ein etwas weniger riskantes Verhalten nahelegen?«
    Fünfgeld verzog das Gesicht, als quälten ihn Zahnschmerzen. »Ich möchte nicht unterbrochen werden. Weder von draußen noch hier drinnen. Wo waren wir stehen geblieben? Toggle … Toggle ist gar nicht das Kernstück der bevorstehenden Konversion, sondern nur ein Baustein darin. Myface wird die Welt verändern! Sie staunen? In Myface finden die entscheidenden Sortierungsprozesse unserer Zeit statt. Dort bekommt man Aufmerksamkeit zugeteilt und nach der jetzt begonnenen Umwälzung von Toggle Democracy auch seinen politischen und … ja menschlichen Wert. Denn das Beziehungsgeflecht in einem sozialen Netzwerk sagt über einen noch viel mehr aus, als das selbst bei allergrößter Datenfülle der Toggle-Algorithmus könnte. Nicht wahr, Professor Sterzel?«
    Der Angesprochene nickte zögerlich. Die Eskalation durch Fünfgelds Sekretär beunruhigte ihn. Laien am gesicherten Abzug erschienen ihm gefährlicher als Profis an einem entsicherten. Sterzel trat der Schweiß auf die Stirn.
    »Kurz und gut: Ich habe alle Rechte an den Myface-Daten gepachtet. Sie gehören mir, solange ich sie nicht ökonomisch ausbeute. Undwas schert mich die Ökonomie von Myface? Interessant sind die politischen Renditen! Wenn wir Toggle Democracy mit

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