Toggle
sondern öffnete Zugänge. Wenn die Autos von Toggle mit aufgebockten Panoramakameras durch die Straßen fuhren, nahmen sie Fotos öffentlicher Fassaden auf, doch sie überwachten das Leben dahinter keineswegs. Ein Foto war weder Röntgenbild noch Videofilm, es konnte bloß die Wahrheit einer Hundertstelsekunde festhalten. Nahmen die Filterprogramme bei Toggle Mail zwar jeden getippten Buchstaben zur Kenntnis, so interessierten sie sich jedoch nicht für die Gedanken des Versenders, sondern suchten lediglich nach Ankerplätzen für zielgerichtete Werbung. Niemand störte sich daran, denn Überwachung war bloß ein hässliches Wort für jene Reibungswärme, die entstand, wenn böse Erinnerungen aus der Vergangenheit mit den Möglichkeiten der Gegenwart zusammentrafen. Toggle Inc. überwachte niemanden, nicht einmal seine Angestellten, die wiederum niemanden überwachten, sondern sich höchstens hie und da einen Scherz erlaubten. Wenn Toggle-Mitarbeiter morgens zu Arbeitsbeginn ein paar beliebige Webseiten draußen im unendlichen digitalen Ozean besuchten, dann nur, um dort ein ermutigendes Zeichen zu hinterlassen: Siehe, du wirst gesehen! Im Gegensatz zu den Suchrobotern, die ihre Arbeit spurlos verrichteten, hinterließen solche menschlichen Visiten einen Eintrag im kostenlosen Analysetool der Firma, das Millionen Webmaster auf ihren Internetdomains installiert hatten. Schatz, schau mal, Toggle Inc. war auf unserer Webseite! Wer sich davon verfolgt fühlte, musste wohl vorgeschädigt sein. Denn jeder normale Webseitenbesitzer, der den stillen Gruß aus Valley Hills in seinem Logfile entdeckte, war stolz und froh, endlich vom Giganten wahrgenommen worden zu sein. So erzeugte Toggle in dem Maße Aufmerksamkeit, in dem die Luftraumüberwachung Sicherheit garantierte, und ohne beides konnte die moderne Welt nicht existieren.
So jedenfalls stand es in Toggles Imagebroschüren.
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Muffat Airfield (Cal.)
Freitag, 30. Juli, 9 : 30
Auf den Radarschirmen der Fluglotsen vom Muffat Airfield in Valley Hills erschien von Westen her ein kleiner, sich rasch bewegender, leuchtender Punkt. Der Transpondercode verriet den Anflug eines Dornier Alpha Jets, eines leichten Jagdbombers. Der Punkt glitt über die Koordinaten des Landeplatzes hinweg, beschrieb einen weiten Bogen über den 30 Meilen entfernten Ozean, um dann von Norden her über die San Francisco Bay zurückzukehren und sich fast elegant zu Boden sinken zu lassen. Der Pilot hatte offensichtlich noch einen kleinen Sightseeing-Abstecher zum Pazifik unternommen, bevor er ordnungsgemäß beim Tower um Landeerlaubnis bat. Entgegen dem militärischen Flugzeugtyp handelte es sich um eine Privatmaschine,und obwohl das Muffat Airfield ein Flugplatz der US – Airforce war, wurde der Bitte stattgegeben.
»Speedy Gonzales kehrt heim«, knurrte einer der Fluglotsen.
Der andere lachte: »So’n Vehikel lass ich mir auch zusichern, wenn ich mal die Firma wechsle!«
Die Maschinen der Firma I322 Llc. genossen einen Ausnahmestatus auf dem Muffat Airfield. Das war kein Wunder, denn obwohl sich die Firmenbesitzer hinter Treuhändern verbargen und niemand im ganzen Santa-Clara-County das rätselhafte Firmenkürzel I322 Llc. dechiffrieren konnte, wusste jeder, dass die Toggle-Gründer Grin und Cage dahintersteckten. Aus reiner Bequemlichkeit ließen sie ihre Boeing 767 mit dem Schriftzug Toggle One lieber vom Muffat Airfield abheben als vom San Francisco International Airport. Letzterer lag 30 Meilen entfernt, das Muffat Airfield nur acht Autominuten. Für dieses Privileg bezahlten sie 1,3 Millionen Dollar im Jahr – eine bessere Flughafengebühr, mehr nicht. Dafür konnten sie ohne Kontrollen und ohne lästiges Warten in zweiter Reihe so rasch wie möglich abheben.
Der Jagdbomber gehörte ebenfalls zur Firmenflotte.
Grin und Cage besaßen keinen Pilotenschein, aber irgendjemand hatte ihnen erzählt, dass der Dornier Alpha Jet als Strahltrainer entwickelt worden war und als vorzügliches Schulungsflugzeug galt – eine Chessna der Oberklasse, ein Porsche der Lüfte. So etwas mussten Multimillionäre besitzen, auch wenn sie es nicht nutzten! Bei seinem Wechsel zu Toggle hatte Walter Weinberger rasch ein Auge auf dieses Schmuckstück geworfen und es schließlich als Dienstwagenersatz zugeteilt bekommen.
Toggle Two flog sich wie ein Traum. Zu Beginn seiner militärischen Karriere hatte Weinberger den Zweisitzer schon einmal bei NATO – Verbündeten ausprobieren
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