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sie einfach nach hinten umklappte. Soldaten drangen ein, stießen die Padres unsanft auf die Piazza hinaus, trieben sie auf einen der Leiterwagen hinauf und begannen, die restlichen neun Fuhrwerke mit Schätzen aus der Chiesa del Gesù Nuovo zu füllen. Obwohl weder Angelina noch der Lumpensammler dem Orden angehörten – Letzterer erkennbar überhaupt nicht! –, fanden sich beide eingezwängt zwischen den immer noch betenden Padres wieder. Augenscheinlich galt für sie der Teil des Dekrets, der Novizen und Laien in einen Topf mit ordinierten Priestern warf. Endlich ließ Bernardo Tanucci die Gefangenen fortschaffen. Sie wurden auf direktem Wege zum Hafen gefahren, um dort an Bord einer königlichen Fregatte an die Gestade des Kirchenstaats verschifft zu werden.
Rechts neben der erbrochenen Pforte der Chiesa del Gesù Nuovo stand der Karren des Lumpensammlers und stank zum Himmel. Er stank so sehr, dass sich Bernardo Tanucci beim Verlesen des Dekrets mehrfach hatte frische Luft zufächeln müssen. Als es nur noch galt, Übergriffe der Soldaten auf nunmehr königliches Eigentum zu verhindern, was der Hauptmann gut alleine durchsetzen konnte, lieh sich der Kronminister eine Fackel und entzündete den Lumpenberg. Dann bedeutete er mit einer unwirschen Geste, die Karre fortzuschaffen. Zwei Mann schoben sie weg, und Tanucci winkte seinen Duc herbei. Der König konnte zufrieden sein.
Neapel war jesuitenrein.
Schon beim Sechsuhrläuten, dem freilich die kräftigen Glocken von Gesù Nuovo fehlten, herrschte ein geschäftiges Treiben auf der Piazza. Alle hatten von den Geschehnissen des Vorabends gehört, keiner wollte die Gelegenheit verpassen, sein Schäfchen ins Trockene zu bringen. Doch obwohl das Volk die Jesuiten aus vollem Herzen als finstere Verschwörer, Blutegel und elendes Geschmeiß verdammte, hatte sich der gnädige König nicht verstanden, es für diese Zeichen innigster Treue zu belohnen. Die längst wieder verschlossene Kirchenpforte wurde von einem Dutzend schwer gerüsteter Soldatenbewacht. Niemand kam herein, niemand konnte sich die eine oder andere nützliche Kleinigkeit herausholen.
Nach und nach verstreute sich die murrende Menge.
»Eiei«, sagte eine zahnlose Lumpensammlerin und hob schnüffelnd die Nase in die Luft. »Was ist denn das für ein Duft?«
Sie hatte erst gar nicht auf dem Hauptplatz nach weggeworfenem Plündergut gesucht, sondern war gleich in die Seitengassen ausgewichen. In einem besonders unübersichtlichen, schmalen und dunklen Durchstieg stand etwas auf den ersten Blick völlig Unbrauchbares, auf den zweiten aber sehr wohl noch Verwendungsfähiges. Denn was konnte unnütz sein, solange es zwei intakte Räder besaß? Auch um die Ladung schien es nicht hoffnungslos bestellt. Die schwarzen Lumpenreste auf dem angekohlten Karren waren nicht mehr zu gebrauchen, doch die Matratze wies nur einige braune Stellen auf. Um Feuer zu fangen, war sie zu dicht gestopft und zu sehr mit Schweiß vollgesogen gewesen.
Die Lumpensammlerin blickte sich verstohlen um. Außer ihr befand sich niemand in der Gasse. Allerdings öffnete sich nun ein Fensterladen in der Höhe, und eine Frau keifte herab, sie solle sich mitsamt ihres Karrens, der die halbe Nacht gequalmt habe, von dannen scheren und nie wieder blicken lassen!
Instinktiv zog die Lumpensammlerin den Kopf ein.
Als kein kalter Guss von oben folgte, griff sie nach den Holmen des Karrens und schob los.
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Fünfter Teil
404 Error – Life not found
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68
Wie ein engmaschiges Netz spannte sich die Luftraumüberwachung über alle fünf bewohnbaren und die beiden unbewohnten Kontinente der Erde. Nichts blieb unentdeckt, alles wurde kontrolliert. Der Überwachung unterlagen auch die Datennetze von Militäreinrichtungen, Regierungen, Universitäten, Krankenhäusern und Firmen, um Schadsoftware den Zugang zu verwehren, während öffentliche Plätze, Bahnhöfe, Kaufhäuser, Einkaufsstraßen durch die Linsen fest installierter Kameras observiert wurden. Mütter überwachten ihre Kinder, wenn sie deren Myface-Einträge lasen, Männer ihre Frauen, indem sie die fettigen Fingerspuren auf iPhones mit Mehl bestäubten, um die Telefonnummern vermeintlicher Liebhaber herauszufinden. Arbeitgeber überwachten Arbeitnehmer, Gewerkschafter Kapitalisten, NGO s Regierungen, Banken ihre Schuldner. Überwachung war Menschenwerk, Menschenlust, Menschengier. Toggle Inc. hatte mit all dem nichts zu tun. Toggle errichtete keine Schranken,
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