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Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
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aufzuladen und euch alle außer Landes zu bringen.« Er grinste schäbig.
    »Reiter?«, stammelte der Padre. »Allmächtiger! Ich muss dem Superiorus Bescheid geben.«
    Er wollte die Pforte wieder schließen, doch Angelina hatte sich mit ihrer Körperfülle schon hindurchgedrängt und den schmächtigen Priester zur Seite gedrückt. Der Lumpensammler folgte, ohne sich um die Matratze zu kümmern. Voller Angst schlug der Padre die Pforte zu und schob hastig alle vorhandenen Riegel vor, wobei der unterste klemmte, denn er war schon lange nicht mehr bewegt worden. Der Priester half mit dem Fuß nach.
    »Führt uns zu Pater Giustiniani«, bat Angelina. »Er leitet die Bibliothek.«
    Doch der Jesuit enteilte ohne weitere Worte. Für einen Moment standen die beiden Besucher verloren im eisigen Atrium des wehrhaften Gebäudes.
    »Wo ist das Vermächtnis meines seligen Luigi?«, fragte Angelina. Der Lumpensammler deutete stumm auf die Tür.
    »Hol es herein!«, befahl sie, doch bevor der Lumpensammler Folge leisten konnte, ließ lautes Hufgetrappel beide zusammenzucken. Es wollte gar nicht aufhören, immer mehr Eisen trommelten auf das harte Pflaster der Piazza Gesù Nuovo, durchmischt von den knirschenden Geräuschen schwerer Räder, die von Süden her auf die Jesuitenkirche zurollten.
    »Mein Karren, mein Hab und Gut!«, jammerte der Lumpensammler.
    Auch Angelina verlor für einen Moment ihr Gottvertrauen. Rasch fasste sie sich jedoch wieder. Befand sie sich nicht an einem geweihten Ort? Einem Ort, der für Häscher aller Art tabu sein musste?
    Von allen Seiten kamen Jesuiten herbeigeeilt.
    »Wer ist Pater Giustiniani?«, fragte Angelina resolut.
    »Was für eine dumme Frage!«, herrschte sie der Superiorus an. »Rasch Confratres, sichert die Tür!«
    Die stärksten Brüder rannten zum Altar vor und machten sich am überlebensgroßen Kruzifix zu schaffen, wobei sie sich mehrfach bekreuzigten, denn sie mussten Gewalt gegen das geweihte Holz ausüben. Draußen war es mit einem Mal still geworden.
    Der Kronminister beider Sizilien, Bernardo Tanucci, erhob auf der Piazza Gesù Nuovo vor den Toren des Klosters seine Stimme. Nicht laut, denn es kam nicht darauf an, dass die Verfemten ihn verstanden, sondern nur darauf, dass mit der Verlesung des königlichen Dekrets den Formalien Genüge getan war.
    »Die Ruhe, die Sicherheit und der Wohlstand unserer geliebtesten Völker haben uns genötigt, zufolge unserer unabhängigen höchsten ökonomischen Macht«, leierte Tanucci die Worte herunter, von denen hinter dem Mauerwerk kaum die Hälfte vernehmbar war, »die Gesellschaft Jesu in diesen Reichen abzuschaffen und für ewige Zeiten aus denselben zu verbannen. Wir verordnen also, dass alle einzelnen Glieder dieser Gesellschaft, Priester, Diakonen und Subdiakonen, sowie auch alle Novizen und Laien, welche die Ordenskleidung nicht ablegen wollen, aus diesen Königreichen beider Sizilien verbannt und zu keinen Zeiten mehr, ohne als Verbrecher beleidigter Majestät bestraft zu werden, zurückkehren sollen – wenn sie auch den Orden verlassen, mit ausdrücklicher Erlaubnis des Papstes ihre Kleidung ablegen und in einen anderen Orden treten würden.«
    Über die Jesuiten hatte sich bleiernes Schweigen gesenkt.
    »Was heißt das?«, wisperte der Lumpensammler.
    »Das ist ein Autodafé«, sagte der Superiorus gefasst. Sein Orden war mit solchen Vorgängen seit Jahrhunderten vertraut. Allerdings üblicherweise auf der anderen Seite.
    Die gelangweilte Stimme Tanuccis hob wieder an: »Alle ihre beweglichen und unbeweglichen Güter, Einkünfte und andere Vermögenseffekten sollen in unserem königlichen Namen in Besitz genommen und davon ein solcher Gebrauch gemacht werden, welchen wir für das Beste unserer Untertanen als für den Schicklichsten halten werden.«
    »Amen«, rutschte es dem Lumpensammler heraus.
    Ein mit grimmiger Miene lauschender Jesuit holte weit aus und verpasste ihm eine Backpfeife.
    »Lasset uns beten«, befahl der Superiorus.
    Während die Mitglieder der neapolitanischen Societas Jesu in demütiger Andacht versunken dem Ende ihres Ordens im Königreich beider Sizilien entgegensahen, wuchteten draußen Soldaten den Baumstamm vom Wagen und brachten ihn gegen die Kirchenpforte in Stellung. Vier, fünf heftige Stöße später platzten innen die schmiedeeisernen Riegel vom Türholz, brach die Angel aus dem Stein, und ohne dass die Eichenbretter selbst gesprengt worden wären, gab die Tür ihre schützende Funktion preis, indem

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