Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen
kursieren auch etliche Erfolgsgeschichten, und daher ist Vorsicht angebracht. Ich sagte: »Ich freue mich, dass Sie mit meinen Referenzen zufrieden sind.«
Gil zuckte die Achseln. »Delilah scheint eine hohe Meinung von Ihnen zu haben.«
Eigentlich war dieser Kommentar überflüssig. Das und ein gewisser Unterton in Gils Stimme ließen mich vermuten, dass er von Delilahs Begeisterung nicht uneingeschränkt angetan war. Falls ihn die Eifersucht plagte, dann war es schlampig von ihm, mich das spüren zu lassen. Andererseits war mir schon klar, dass Gils berufliche Hauptbegabung nicht in seinem geschickten Umgang mit Menschen zu suchen war.
»Genauer ausgedrückt«, sagte Boaz, »Tödlichkeit ohne Waffen.«
Sein geschicktes Aufgreifen des Gesprächsfadens bestätigte mir in gewisser Weise, dass ich mit meinen Vermutungen hinsichtlich Gils Interesse an Delilah gar nicht so falsch gelegen hatte. Ich hob die Augenbrauen, und Boaz fuhr fort.
»Schusswaffen sind in Manila ein Problem. Alle öffentlichen Orte - Hotels, Einkaufszentren, Theater - haben Wachpersonal und Metalldetektoren. Als Sicherheitsmaßnahme gegen die häufigen Bombenanschläge in der Region. Wenn Sie also eine Waffe bei sich haben, schränken Sie Ihre Mobilität ein.«
Gil sagte: »Soweit wir wissen, arbeiten Sie unbewaffnet.«
»Kommt auf das Terrain an«, sagte ich bewusst uneindeutig.
»Aber Sie brauchen keine?«, hakte Gil nach, als würde ihn das Thema interessieren.
Ich zuckte die Achseln. »Eine Pistole ist ein Werkzeug. Manchmal ist sie genau das richtige Werkzeug, manchmal nicht. Wie gesagt, kommt immer drauf an.«
Sie nickten: Boaz offenbar zufrieden, Gil, als würde er insgeheim kalkulieren, dass er mich im Fall des Falles umlegen könnte. Herrje, er war über vierzig, über so einen Mist hätte er eigentlich längst hinweg sein müssen. Aber wahrscheinlich ist so was keine Altersfrage.
Nach einem Moment sagte Boaz: »Jedenfalls, es wäre uns lieber, wenn er an etwas anderes sterben würde als an Bleivergiftung.« Er zog die Stirn kraus, und ich nickte zum Zeichen, dass ich den Witz verstanden hatte. Er schmunzelte.
Gil fügte hinzu: »Wie wir bereits gesagt haben, je weniger es nach Mord aussieht, desto besser."
"Hauptsache, die Sache ist abzustreiten.«
Beide nickten.
Ich hätte gern schon früher gefragt, aber da ich spürte, dass es ein delikates Thema war, hatte ich mich noch zurückgehalten. »Mich würde interessieren«, sagte ich nun, »was unser Freund Manny getan hat, dass Sie ihm kein langes, glückliches, erfolgreiches Leben gönnen?«
In Wahrheit interessierte es mich nicht sonderlich, warum sie ihn tot haben wollten. Wichtig für mich war nur wer, wo und wann. Aber die Erfahrung in der Branche hatte mich gelehrt, dass ihre vorgeblichen Gründe und das, was ich vielleicht aus ihren Antworten heraushören könnte, durchaus vor unangenehmen Überraschungen schützen konnte.
Gil hob einen Aktenkoffer vom Boden und legte ihn auf den Tisch. Dann griff er hinein. Obwohl wir uns an einem öffentlichen Ort befanden und die Stimmung durchaus entspannt war, fiel mir auf, dass seine Bewegungen beruhigend langsam waren. Er wollte mir damit sagen: Wenn Sie ein Problem damit haben, dass ich in eine Tasche greife, sagen Sie es einfach. Es war eine höfliche Geste, und sie zeugte von Erfahrung.
Gil holte einen Stapel Farbfotos hervor und reichte sie mir. Es waren etwa ein Dutzend und ich hielt sie so, dass niemand im Restaurant einen flüchtigen Blick darauf werfen konnte, während ich sie durchsah.
Boaz sagte: »Das oberste wurde in Bali aufgenommen, am 12. Oktober 2002.«
Das Foto zeigte ein zerstörtes Gebäude. Inmitten von brennenden Palmen und rauchendem Schutt lagen überall verkohlte Leichen. Vorn im Bild war die abgetrennte Hand eines Mannes mit einem deutlich sichtbaren Ehering zu erkennen, und aus dem Handgelenkstumpf ragten blutige Sehnen, wie Drähte, die hinten aus einem Elektrogerät gerissen worden waren.
»Und das hier soll auf Mannys Konto gehen?«, fragte ich skeptisch. »Ich dachte, Bali wäre die Jemaah Islamiyah gewesen.«
»Richtig, die JI hat den Anschlag durchgeführt«, sagte Boaz. »Der Bombenbastler war der Malaysier Asahari Husin. Aber woher hat Asahari seine Kenntnisse? Von unserem Freund.«
»Lavi ist von Haus aus Chemiker«, sagte Gil. »Er kennt sich besonders mit den Sprengeigenschaften von diversen Materialien aus. Und diese Kenntnisse sind mittlerweile käuflich zu erwerben.«
»Zum
Weitere Kostenlose Bücher