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Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
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solche Zusage erhalten, und zwar von Sony Computer Entertainment, aber sie galt nur, wenn ich mein Studium um ein weiteres Jahr verlängern würde. Ich wollte diesen Job nicht wirklich antreten, aber immerhin ging es dabei um Sony.
    Ende 1991, als ich nur noch ganz wenige Kurse besuchte und eine Menge Freizeit hatte, beschloss ich, die japanische Sprache genauer zu studieren. Denn ich wollte die Prüfung in Massenkommunikation für künftige Hochschulabgänger ablegen, um dann einen Job als Reporter zu ergattern und auf Japanisch zu schreiben. Ich war überzeugt, dass es nicht viel schwieriger sein konnte, für eine überregionale Zeitung mit acht oder neun Millionen Lesern zu schreiben als für eine Studentenzeitung.
    In Japan gelangt man nicht zu den großen Zeitungen, nachdem man sich bei lokalen Kleinstadtzeitungen hochgearbeitet hat. Vielmehr holen sich die Zeitungen die meisten ihrer Reporter frisch von der Universität. Die Anwärter müssen sich dann als Erstes einem standardisierten Eignungstest unterziehen, der wie folgt abläuft: Angehende Reporter berichten vor einer großen Zuhörerschaft und schreiben
tagelang Tests. Wenn das Ergebnis gut genug ist, folgt ein persönliches Gespräch, dann noch eines und schließlich ein drittes. Wer dabei einen guten Eindruck hinterlässt und seinen Gesprächspartnern gefällt, bekommt vielleicht eine Jobzusage.
    Ehrlich gesagt glaubte ich nicht ernsthaft daran, dass eine japanische Zeitung mich einstellen würde. Wie groß war wohl die Chance, dass ein jüdischer Junge aus Missouri in diese elitäre japanische Journalistenbruderschaft aufgenommen wurde? Aber das war mir egal. Wenn ich etwas lernte und ein Ziel hatte, auch wenn es noch so unrealistisch war, so würde ich auf jeden Fall von meinen Bemühungen profitieren, und wenn nur mein Japanisch besser würde.
    Aber wo sollte ich mich bewerben? Japan hat eine Menge Zeitungen, die zudem viel wichtiger sind als in den Vereinigten Staaten.
    Die Yomiuri Shimbun hat die größte Auflage – mehr als zehn Millionen Exemplare täglich – in Japan und sogar in der Welt. Die Asahi Shimbun folgte ihr früher dicht auf den Fersen. Jetzt ist der Abstand größer geworden, aber sie liegt immer noch an zweiter Stelle. Die Yomiuri galt als offizielle Zeitung der konservativen Liberaldemokratischen Partei, die Japans Politik seit dem Zweiten Weltkrieg dominiert, die Asahi als offizielle Zeitung der Sozialisten, die heutzutage fast verschwunden sind. Von der Mainichi Shimbun , der drittgrößten Zeitung, hieß es, sie sei die offizielle Zeitung der Anarchisten, weil sie selbst nicht wisse, auf welcher Seite sie stehe. Die Sankei Shimbun , damals wohl die viertgrößte Zeitung, galt als Stimme der extremen Rechten, und einige hielten sie für ebenso glaubwürdig wie die Boulevardpresse. Auch sie brachte oft spektakuläre Storys.
    Die Presseagentur Kyodo, die »japanische Associated Press«, war schwerer zu beurteilen. Ursprünglich hatte sie Domei geheißen und war die offizielle Propagandaabteilung der japanischen Regierung während des Zweiten Weltkriegs gewesen. Nicht alle Verbindungen waren abgebrochen, als die Firma nach dem Krieg unabhängig wurde. Zudem hatte Dentsu, die größte und mächtigste Werbeagentur Japans (und der Welt), eine Mehrheitsbeteiligung an Kyodo, und das konnte die Berichterstattung beeinflussen. Einen wichtigen Grund gab es allerdings, der Kyodo als Arbeitgeber sehr attraktiv machte: die Gewerkschaft. Denn sie sorgte dafür, dass die Journalisten den Urlaub bekamen, der ihnen zustand – und das war in den meisten japanischen Firmen eher selten.
    Dann gab es noch Jiji Press, eine Art kleinen Bruder der Kyodo, aber einen hart arbeitenden. Jiji hatte eine kleinere Leserschaft und weniger Reporter. Es gab Leute, die scherzhaft behaupteten, Jiji-Reporter schrieben ihre Artikel erst, nachdem sie Kyodo gelesen hätten – ein gemeiner Scherz in einer gemeinen Branche.
    Anfangs neigte ich zur Asahi , aber irgendwann widerstrebte es mir, dass die USA bei jeder Gelegenheit in ein schlechtes Licht gerückt wurde. Das passte nicht zu dem Bild, das die meisten Japaner von Amerika hatten – das Land der Demokratie, das Freiheit und Gerechtigkeit in der ganzen freien Welt verbreitete.
    Die Leitartikel der Yomiuri waren ziemlich hart, aber sehr konservativ, mit vielen kanji – chinesischen Schriftzeichen, die in der japanischen Schrift verwendet werden – und voller Andeutungen. Die Artikel im überregionalen Teil

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