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Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
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mir diese unangenehme Begegnung eingebrockt.
    Aber vielleicht hatte das Ganze auch sein Gutes, vielleicht war es jetzt an der Zeit, nach Hause zu gehen. Vielleicht sollte Schluss
damit sein, 80 Stunden in der Woche zu arbeiten, um zwei Uhr
morgens nach Hause zu kommen und um fünf wieder zu gehen.
Ich war es leid, dauernd müde zu sein.
    Leid, Knüllern nachzujagen, von Kollegen ausgestochen zu werden, sechs Abgabetermine am Tag einzuhalten – drei am Morgen für die Spätausgabe und drei am Abend für die Morgenausgabe. Ich war es leid, jeden zweiten Tag verkatert aufzuwachen.
    Ich war mir sicher, dass er nicht bluffte. Er schien es sehr ernst zu meinen. Seiner Meinung nach würde die Story, die ich schreiben wollte, seinen Boss umbringen. Natürlich nicht direkt, aber es wäre die Folge gewesen. Und sein Boss war sein oyabun , sein Ersatzvater. Tadamasa Goto, der berüchtigtste japanische Gangster. Deshalb fühlte er sich natürlich dazu berechtigt, mich zu töten.
    Aber wenn ich meinen Teil des Handels einhalten würde, würden sie dann ihr Wort halten? Doch das größte Problem war, dass ich die Story nicht schreiben konnte, da mir noch Fakten fehlten. Aber das durfte ich ihnen natürlich nicht verraten.
    Alles, was ich wusste, war: Im Sommer 2001 hatte sich Tadamasa Goto im Dumont-UCLA-Leberkrebszentrum eine Leber transplantieren lassen. Ich wusste oder glaubte zu wissen, welcher Arzt den Eingriff vorgenommen hatte. Ich wusste, wie viel Geld Goto für seine Leber bezahlt hatte: nach einigen Quellen fast eine Million, nach anderen drei Millionen Dollar. Mir war bekannt, dass die Tokioter Zweigstelle eines Kasinos in Las Vegas einen Teil des Geldes, das er für die Klinik brauchte, in die USA überwiesen hatte. Absolut unklar war mir aber, wie so ein Kerl überhaupt in die USA gelangen konnte. Er musste einen Pass gefälscht oder einen japanischen oder amerikanischen Politiker bestochen haben. Irgendetwas war hier faul. Denn er stand auf der schwarzen Liste des amerikanischen Zolls, der Einwanderungsbehörde, des FBI und der Drogenbekämpfungsbehörde DEA (Drug Enforcement Administration). Er durfte eigentlich nicht in die Vereinigten Staaten einreisen.
    Ich war mir sicher, dass hinter Gotos Reise und seiner Operation eine interessante Geschichte steckte. Deshalb hatte ich monatelang daran gearbeitet. Und ich konnte nur vermuten, dass mich während dieser Zeit irgendjemand verpfiffen hatte.
    Ich spürte, dass meine Hände zitterten. Die Zigarette schien sich in meinen Fingern aufgelöst zu haben, während ich nachgedacht hatte.
    Ich zündete mir eine zweite an und dachte: Wie zum Teufel bin ich nur so weit gekommen?
    Ich hatte nur diese eine Chance, um die richtige Entscheidung zu treffen. Denn ein zweites Treffen würde es nicht geben. Ich konnte später keine Gegendarstellung abdrucken. Langsam geriet ich in Panik, mein Magen fühlte sich an wie zugeknotet, mein linkes Auge zuckte.
    Seit über zwölf Jahren machte ich diesen Job, und ich war bereit aufzuhören. Aber doch nicht so. Wie war ich da nur hineingeraten? Das war eine gute Frage. Es war eine bessere Frage als die, die ich jetzt zu beantworten hatte.
    Ich dachte weiter nach und verlor das Gefühl dafür, wie viele Zigaretten ich schon geraucht hatte.
    »Vergessen Sie die Story, oder wir machen Sie fertig«, hatte der Vollstrecker gesagt.
    Das war das Angebot.
    Ich hatte keine Trümpfe in der Hand und keine Zigaretten mehr.
    Schließlich schluckte ich, atmete aus, schluckte noch einmal und murmelte dann: »In Ordnung. Ich werde die Story ... in der Yomiuri  ... nicht schreiben.«
    »Gut«, sagte er sehr zufrieden. »An Ihrer Stelle würde ich Japan verlassen. Der Alte ist wütend. Sie haben eine Frau und zwei Kinder, oder? Machen Sie Urlaub, einen langen Urlaub. Vielleicht sollten Sie sich einen neuen Job suchen.«
    Dann standen alle auf. Wir verbeugten uns äußerst knapp – es war eher ein kurzes Nicken mit starrem Blick.
    Als der Vollstrecker und sein Helfer gegangen waren, wandte ich mich an Sekiguchi. »Glaubst du, dass meine Entscheidung richtig war?«, fragte ich.
    Er legte mir die Hand auf die Schulter und drückte sie ein wenig. »Du hast getan, was du tun musstest. Es war richtig. Kein Artikel ist deinen Tod wert, keine Story ist den Tod deiner Familie wert. Helden sind nur Leute, die keine Wahl mehr haben. Aber du hattest noch eine Wahl. Und deine Entscheidung war richtig.«
    Ich war wie betäubt.
    Sekiguchi führte mich aus dem Hotel, und

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