Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)
jetzt die Sache beenden«, erwiderte sie.
Der Arzt ergriff ein Etui und entnahm die vorbereitete Spritze. Er stieß die Nadel in die Armbeuge seiner Patientin und drückte den Inhalt in die Vene. Ida zuckte nicht einmal, so tief war der künstliche Schlaf.
Wenn alles wie geplant verlief, würde Audra gleich als rettender Engel dastehen, denn das Medikament regte die Wehentätigkeit neu an.
»Es sind übrigens zwei Herztöne. Wundert mich, dass ihr bisheriger Arzt das nicht bemerkt hat«, teilte der Doktor mit.
Zwei? Audra überlegte, wie sie aus dieser Neuigkeit einen Vorteil ziehen konnte.
Sie stellte sich dicht neben ihn und flüsterte: »Falls Ihr die Gelegenheit bekommt, betäubt eines der Babys, sodass es für tot gehalten wird.«
Ihr kam noch eine andere Idee. Gefährlich, aber vielversprechend. »Besser, wickelt es in die benutzen Tücher und schafft es heimlich fort.«
»Das hatten wir nicht abgesprochen. Warum sollte ich ein derartiges Wagnis eingehen, Gnädigste?«, fragte er sichtlich verblüfft.
Audra musterte den Mann.
Was sie Lord Standfort gegenüber behauptet hatte, entsprach der Wahrheit: Der Doktor war ein begnadeter Geburtsarzt. Und zudem erfreulich bestechlich, weshalb sie ihn Ida empfohlen hatte. Setzte sie die Belohnung hoch genug an, würde er tun, was sie verlangte.
»Außer meinem Dank und dem abgemachten Geld?«, sagte sie, machte eine Kunstpause und fuhr fort: »Ich hörte, Euch erwartet ein Erbschaftsproblem.«
Als Zweitgeborener ging er beim Tod seines kranken Vaters weitgehend leer aus. Sie wusste Bescheid über seine Spielschulden und seine teure Vorliebe für unpassende Frauenzimmer.
»Ältere Brüder sind eine störende Angelegenheit. Ich regele das für Euch. Besorgt mir im Gegenzug das Kind.«
Der Mann starrte sie an, als traue er den Ohren nicht. Sie nickte nur. Die Gier in seinen Augen verriet ihn. Er gehörte ihr, selbst wenn er sich noch zierte.
»Es beginnt«, lenkte er sie ab, und tatsächlich presste eine gewaltige Wehe den Bauch der Schwangeren zusammen. Nun blieb nur die Hoffnung, dass zumindest das erste Kind geboren wurde, bevor Ida das Bewusstsein wiedererlangte.
Kurz darauf war das Baby da. Ein kleines Mädchen, das der Doktor schnell abnabelte. Kaum war er fertig, folgte das zweite.
»Auch nur ein Mädchen«, stellte er fest. Mit einem Blick auf das Geschwisterchen ergänzte er: »Wenigstens gleichen sie sich und sind bildhübsch.«
Audra fand alle Babys unansehnlich. Ihre verschrumpelten Greisengesichter und ihr Schreien machten sie nicht angenehmer zu ertragen. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte man sie ersäufen können wie unerwünschte Welpen.
»Der Handel gilt«, sagte sie. »Ihr liefert mir eines der Kinder, ich verhelfe Euch zum Erbe.«
Der Arzt griff zur Schere und durchtrennte die Nabelschnur.
»Ich weiß nicht, ob es eine Betäubung überlebt.«
Audra rümpfte die Nase.
»Versucht Euer Bestes. Ich hole es später bei Euch ab. Für Tote zahle ich jedoch nicht.«
Sie sah zu, wie er dem zappelnden Baby ein Tuch aufs Gesichtchen legte und einige Tropfen aus einer Flasche darauf träufelte. Sobald es leblos dalag, wickelte er das Kind in eines der bereitliegenden Handtücher und verstaute es in der Arzttasche.
»Keine Ahnung, ob es das übersteht, aber es sollte für eine ganze Weile ruhig sein«, versprach er. »Ab und zu betäube ich es wieder. Besser tot, als dass es zu schreien anfängt. Wir wollen kein Risiko eingehen, nicht wahr?«
Audra nickte. Der Mann war fast so skrupellos wie sie. Solange er sich weiterhin als nützlich erwies, würde sie seine Beseitigung aufschieben.
Sie beugte sich über Ida und tätschelte ihre Wangen. Zeit für den Rest der Vorstellung. Als die Frau nicht reagierte, schlug sie heftiger zu. Ohne Erfolg.
»Das Riechsalz«, riet der Arzt und reichte ihr eine Phiole. Audra nahm den Stöpsel ab und hielt Ida die Öffnung unter die Nase. Endlich öffnete diese die Augen.
»Meine Liebste, ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht. Du hast ein wunderschönes Töchterchen bekommen. Sobald sie gewaschen ist, kannst du sie halten und wir holen deinen lieben Gatten.«
Wenn Ida sie verstand, ließ sie es sich nicht anmerken. Die Frau blickte durch sie hindurch, als wäre sie Luft.
Audras Herz hüpfte einen Moment vor Schreck.
Das dumme Ding würde ihr nicht sterben oder dauerhaft geschädigt bleiben? All die Mühe, sich bei ihr einzuschmeicheln, ihr Vertrauen und ihre Freundschaft zu gewinnen, durften nicht
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