Tolstois Albtraum - Roman
machen.«
Sie hob die Hände, und T. spürte die kalte Berührung von Metall. Als er den Blick senkte, sah er auf seiner Brust ein Medaillon an einem Goldkettchen – ein winziges goldenes Buch, das zur Hälfte in eine Blüte aus weißem Jaspis eingelassen war.
»Was ist das?«, fragte er.
»Das Buch des Lebens. Ich habe das Amulett vom verstorbenen Fürsten bekommen. Es wird Ihnen Erfolg bringen und Sie vor Unheil schützen. Versprechen Sie mir, es nicht abzunehmen, solange Ihr Leben in Gefahr ist.«
»Ich werde es versuchen«, antwortete T. diplomatisch.
Die Fürstin lächelte und ging zur Tür.
IV
T. schlief auf der Stelle ein. Er hatte einen kurzen, unruhigen Traum – ein Gespräch mit der Fürstin Tarakanowa, das dem soeben zu Ende gegangenen sehr ähnlich war, aber am Ende machte die Fürstin eine strenge Miene, schlug ein dunkles Tuch um den Kopf und verwandelte sich in einen schwarzen Engel an der Wand.
Als er erwachte, sah T., dass die Platte mit dem Fisch-Drachen verschwunden war. Offenbar hatten die Ruderer und die Dienstboten die mythologische Metapher verzehrt.
»Dieser zusammengesetzte Fisch ist wirklich ekelhaft«, dachte er. »Aber die Worte der Fürstin sind schwer zu widerlegen. Fragt sich nur – was ist der Sinn einer solcherart eingerichteten Welt? Ich muss mich erkundigen, was der verstorbene Fürst dazu gesagt hat …«
Aber im Speisezimmer war niemand, den er fragen konnte, und die Fürstin war noch nicht wieder da.
Es wurde schon dunkel. Bläuliche Dämmerung erfüllte den Raum, und die antiken Statuen an den Wänden verwandelten sich – das Halbdunkel milderte ihre Weiße, machte sie beinahe fleischlich, als brächte es die Zeit zurück, in der diese verstümmelten Gesichter und Torsi lebendig gewesen waren. Doch ihre steinernen Augen blieben kalt und gleichgültig, und unter ihren Blicken erschien die menschliche Welt wie ein lächerlicher, eitler Zaubertrick.
Ganz plötzlich war T. beunruhigt. Etwas stimmte nicht.
Er stand auf, ging zu der Tür, die aufs Deck führte, und öffnete sie. Da war niemand.
T. erkannte den Grund für seine Besorgnis – das gleichmäßige Plätschern des Wassers war nicht mehr zu hören. Er trat an die Bordwand und blickte hinunter. Die Ruder standen reglos nach allen Seiten hin ab. Das Schiff glitt führerlos dahin, es wurde von der Strömung getrieben und drehte sich allmählich mit dem Bug zum Ufer.
Am entfernten Ende des Decks huschte ein Schatten vorbei.
»Wer ist da?«, rief T. »Antworten Sie!«
Es kam keine Antwort.
T. kehrte ins Speisezimmer zurück, fand auf dem Tisch Streichhölzer und zündete die Petroleumlampe an. Augenblicklich veränderte sich der Raum: Der Lichtschein verscheuchte die düsteren Seelen der Marmorstatuen, und der dunkelblaue Abend draußen verwandelte sich in schwarze Nacht.
T. sah sich im Raum um und suchte nach einer Waffe.
An der Wand hing matt schimmernd die Gladiatorenausrüstung: ein schwerer, gehörnter Helm, ein runder Bronzeschild und ein Speer, der auf der einen Seite eine breite Klinge und auf der anderen einen massiven runden Knauf hatte, an dem ein langes, um den Schaft gewickeltes Seil befestigt war. Unter dem Speer hing eine kleine Tafel mit der Aufschrift:
WURF - SARISSA
Der Speer wirkte robust und neu, aber die bronzenen Teile schienen antik zu sein.
Der Helm war eng und für einen antiken kleinen Schädel gemacht, er presste den Kopf unangenehm zusammen. T. steckte die Hand durch die Lederschlingen am Schild und ergriff die Sarissa, mit der anderen Hand nahm er die Lampe und ging wieder an Deck. Es war noch immer niemand zu sehen.
Nach einigen Schritten bemerkte T. aus dem Augenwinkel eine Bewegung und fuhr herum. Vor ihm stand ein bärtiger Krieger mit Hörnerhelm und Mantel – dem Aussehen nach ein typischer Perser aus Dareios’ Armee. In der einen Hand hielt er eine Lampe, in der anderen einen Schild und einen Speer.
Es war sein eigenes Spiegelbild in einer Fensterscheibe.
»Ich sehe aus wie ein Idiot«, dachte T.
Am Heck angelangt, kletterte er die Treppe hinunter und öffnete vorsichtig die Tür mit dem Apoll-Bild.
Alle Leute unter Deck waren tot.
Es war auf den ersten Blick klar. T. schritt durch den Gang zwischen den Bänken und blickte wachsam nach rechts und links.
Die toten Gesichter waren nicht von Schmerz verzerrt – eher blickten die offenen Augen der Verstorbenen ungläubig und verärgert auf etwas, was nun für immer in der Vergangenheit lag.
T. bemerkte eine Art
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