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Tolstois Albtraum - Roman

Tolstois Albtraum - Roman

Titel: Tolstois Albtraum - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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dünnen Span, der im Hals eines der Ruderer stak. Als er sich über den Toten beugte und die Lampe näher heranhielt, sah er einen kleinen Pfeil, ähnlich wie ein Zahnstocher, mit einer winzigen Feder am einen Ende. Genau so ein Pfeil stak in der Schulter der Leiche daneben.
    Im Schiffsraum roch es stark nach Petroleum. Jemand hatte die Leichen, den Boden und die Bänke übergossen und dabei einen ganzen Kanister geleert, der jetzt im Durchgang lag.
    Als er weiterging, erkannte T. die Diener aus dem Speisezimmer in ihren silberbestickten Tuniken. Und dann sah er die Fürstin Tarakanowa selbst.
    Sie saß in dem engen Raum zwischen zwei Bänken, den Rücken gegen die Wand gelehnt; auf ihrem Gesicht lag ein erstarrtes verwundertes Lächeln. Der Zahnstocher-Pfeil hatte sich in ihre Wange gebohrt. Am Boden vor ihr glitzerten Splitter von der Hecht-Platte.
    Neben der Tarakanowa lagen Luzius und vier Mönche unbekannter Herkunft, deren Leichen sich in dieser Umgebung äußerst merkwürdig ausnahmen – als wären sie Opfer des letzten antichristlichen Edikts. Offenbar hatte der Tod sie alle fast gleichzeitig getroffen. Ein Mönch war auf eine Ruderbank gefallen und hielt ein seltsames Fischernetz in der Hand, in dessen Maschen klingenähnliche Kristallsplitter aus Bergkristall oder Quarz befestigt waren.
    Für einen Moment starrte T. gebannt auf die Lichtfunken in den geschliffenen Kristallklingen, als sich die Tür des Schiffsraums öffnete und der bleiche Strahl einer Karbidlampe auf den Boden fiel.
    »Graf T. … Mein Gott, was ist denn mit Ihnen los? Aber wissen Sie was, die Aufmachung steht Ihnen. Sie wären kein schlechter Hoplit!«
    Das Gesicht des Mannes an der Tür lag im Schatten, aber T. erkannte die Stimme.
    »Und Sie sehen unglaublich scheußlich aus, Knopf«, sagte er.
    Wahrhaftig bot Knopf nicht gerade den besten Anblick – sein nasser Rock war mit ölig glänzenden Schlamm- oder Tangflecken übersät.
    »Waren Sie das?«, fragte T. und deutete auf die Leichen.
    »Nein«, erwiderte Knopf. »Das waren Pfeile aus einem Blasrohr, die mit Extrakt aus spitzblättriger Cegonie eingerieben waren.«
    »Was ist das?«
    »Eine Pflanze aus den Regenwäldern am Amazonas, die über ganz besondere Eigenschaften verfügt. Botaniker nennen sie Cegonia religiosa .«
    »Und wer hat die Pfeile abgeschossen?«
    »Wollen Sie das wirklich wissen?«, fragte Knopf. »Bitte sehr!«
    Er fuhr mit der Hand in die Brusttasche und zog etwas hervor, das T. zuerst für einen Lederbeutel hielt. Aber als der Lichtstrahl der Lampe darauf fiel, sah man graue Haare und verächtlich zusammengekniffene schwarze Augenhöhlen.
    Es war ein Schrumpfkopf an einer langen Haarsträhne – vielmehr lediglich ein Schrumpfgesicht, denn man hatte den Schädel entfernt. Im Mund steckte eine lange Zigarettenspitze. Knopf nahm sie zwischen die Lippen und blies hinein.
    Ein tiefer, vibrierender Laut ertönte, ähnlich dem Schrei eines Tieres in der Nacht. Dann hörte T. das Tappen bloßer Füße, und fünf winzige Wesen kamen die Treppe zum Schiffsraum heruntergerutscht, in Karnevalsfräcken mit bunten Westen und Zylindern, die nass und schmutzig waren und genau solche Tangflecken hatten wie Knopfs Kleider. Sie bildeten einen Kreis um Knopf und blieben starr stehen.
    »Jetzt haben Sie auch noch Kinder in Ihre Scheußlichkeiten hineingezogen?«, fragte T. verächtlich.
    »Das sind keine Kinder, sondern Amazonas-Indianer, unbarmherzige, erfahrene Killer. Sie werden nicht größer als zwei Arschin. Der Jüngste ist ungefähr vierzig.«
    »Und was soll diese alberne Maskerade?«
    »Die einzige Möglichkeit, unterwegs nicht aufzufallen, Graf, ist, unsere kleinen Freunde hier als Zirkuszwerge zu verkleiden. Das ist natürlich lästig, aber der Nutzen, den sie bringen, entschädigt für alle Schwierigkeiten. Sie handeln vollkommen lautlos, und in ihrer tödlichen Schlagkraft sind sie mit einer MG -Abteilung vergleichbar …«
    Während Knopf sprach, hatte T. die Lampe auf eine Bank gestellt und unmerklich das um den Speerschaft gewickelte Seil zu Boden gleiten lassen.
    »Etwas Erbärmlicheres als die Ermordung wehrloser Menschen durch Gift kann man sich kaum vorstellen«, sagte er.
    Knopf drohte ihm listig mit dem Finger.
    »Ganz so einfach ist das nicht! Nicht das Gift hat sie umgebracht, sondern ihr Unglaube.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Wissen Sie, warum die spitzblättrige Cegonie auch religiosa heißt? Sie enthält nicht nur Gift, sondern ein besonderes Alkaloid

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