Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
Ob sie gleich ihre Gesinnungen nicht so platt heraussagten, so haben wir doch sowohl aus dem Mißvergnügen, das sich in ihren Mienen zeigte, als aus dem folgenden Gespräche so viel zusammengebracht, daß keine sehr große Freude in ihren Gemütern regierte.
Ungefähr eine Stunde nachher, als sie das Krankenzimmer verlassen hatten, begegnete Quadrat Herrn Schwöger im Vorsaale und redete ihn an folgendergestalt: »Nun, Herr Schwöger, haben Sie, seitdem wir das Zimmer verlassen haben, wieder etwas gehört von Ihrem Freunde?« – »Wenn Sie Herrn Alwerth meinen,« antwortete Schwöger, »so dächte ich, Sie könnten ihn vielmehr Ihren Freund nennen; denn, nach meiner Meinung, hat er diesen Titel sehr wohl um Sie verdient!« – »Um Sie ist sein Verdienst nicht geringer, denk' ich,« erwiderte Quadrat; »denn seine [214] Freigebigkeit, so wie sie nun ist, ist für beide von einerlei Maß.« – »Ich würde nicht der erste gewesen sein, dies zu erwähnen,« versetzte Schwöger, »weil Sie aber davon anfangen, so muß ich Ihnen zur Nachricht melden, daß ich darüber ganz verschiedener Meinung bin. Es ist in himmelweiter Unterschied unter freiwilligen Geschenken und unter Belohnungen. Die Pflichten, die ich in dieser Familie übernommen, und die Sorge, die ich für die Erziehung seiner beiden jungen Herrn gehabt habe, sind Dienste, für welche einige Leute mehr Erkenntlichkeit erwartet haben möchten. Doch müssen Sie deswegen eben nicht glauben, ich sei darüber mißvergnügt. Sankt Paulus hat mich gelehrt, zufrieden zu sein mit dem Wenigen, was ich habe. Wäre das Kleine noch geringer gewesen, so hätte ich meine Pflicht gekannt. Aber, obgleich die Schrift mich nötigt, mich mit meinem beschiedenen Teile zu begnügen, so befiehlt sie doch nicht, vor meinem eigenen Verdienst die Augen zu verschließen, oder mich zu enthalten, es zu sehen, wenn man mir durch eine ungerechte Vergleichung zu nahe tritt.« – »Weil Sie mich reizen,« erwiderte Quadrat, »so muß ich Ihnen denn sagen, daß mir zu nahe geschehen ist. Ich hätte mir in meinem Leben nicht eingebildet, daß Herr Alwerth meine Freundschaft so gering geachtet hätte, um mich mit einem, der seinen Jahrlohn zog, auf gleichen Fuß zu setzen: aber ich weiß wohl, woher es kommt. Es ist eine Folge von den eingeschränkten Grundsätzen, die Sie sich seit so langer Zeit bemüht haben ihm einzuflößen, mit Uebergehung alles dessen, was groß und edel ist. Die Schönheit und Liebenswürdigkeit der Freundschaft sind zu stark für seine Augen; und freilich kann man solcher durch kein andres Medium gewahr werden, als durch die untrügliche Regel des Rechts, welche Sie sich oft bemüht haben lächerlich zu machen, und wodurch Sie den Verstand meines Freundes verschroben haben.« – »Ich wünschte,« rief Schwöger ganz wütend, »ich wünsche, aus Liebe zu seiner Seele, daß Ihre verdammlichen Lehrsätze nicht seinen Glauben verschroben hätten. Darauf fällt die Schuld seines jetzigen, einem Christen so unanständigen Betragens. Nur ein Atheist konnte so sorglos die Welt verlassen, ohne vorher mit seiner Seele in Richtigkeit zu sein; ohne seine Sünden zu beichten und diejenige Absolution zu empfangen, die ihm, wie er wohl weiß, ein Mann zu erteilen nach allen Rechten befugt ist, den er selbst in seinem eignen Hause bei sich hat. Er wird den Abgang dieser Notdurft schon fühlen, wenn's zu spät ist. Wenn er an den Ort wird gekommen sein, wo Heulen ist und Zähnklappen; alsdann, alsdann wird er's erfahren, wie mächtig jene heidnische Gottheit, jene Tugend, die Sie und alle jetzigen Freigeister verehren und anbeten, ihm beistehen [215] und ihn vertreten wird. Dann wird er nach seinem Priester rufen, wenn keiner zu finden ist; dann wird er den Mangel der Absolution bereuen, ohne welche kein Sünder selig werden kann.« – »Wenn sie denn so unumgänglich nötig ist,« sagte Quadrat, »warum geben Sie ihm solche nicht ganz aus freien Stücken?« – »Sie hat keine Kraft,« schrie Schwöger, »als an denen, welche solche, nach der zuvorkommenden Gnade, begehren. Aber, warum sage ich dergleichen zu einem Heiden und Ungläubigen? Sie sind es, Herr, der ihm diese Lehren beigebracht hat, die Ihnen in dieser Welt so reichlich vergolten sind, wie Ihrem Jünger ohne Zweifel auch bald in der künftigen widerfahren wird.« – »Ich weiß nicht, was Sie unter meiner reichlichen Vergeltung verstehen,« sagte Quadrat; »wenn Sie aber auf das winzige Andenken unsrer Freundschaft
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