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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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warten.
    Jakob trat kaum in das Haus seines Herrn, als ihm Jungfer Honoria begegnete, welcher er, nachdem er erst durch ein paar vorläufige Fragen bei ihr in's Haus gehorcht hatte, den Brief für ihre Herrschaft übergab und zu gleicher Zeit einen andern von ihr für Herrn Jones erhielt, den Honoria, wie sie sagte, den ganzen geschlagenen Tag schon im Busen getragen hatte und zu verzweifeln begann, daß sie ein Mittel finden würde, ihn zu bestellen.
    Der Wildmeister kehrte hastig und voller Freuden zu Jones zurück, welcher, als er ihm Sophiens Brief abgenommen hatte, allein beiseite ging, den Brief gierig erbrach und folgendes las:
     
    »Lieber Herr Jones!
     
    Es ist mir unmöglich, Ihnen zu beschreiben, was ich empfunden habe, seitdem ich Sie sah. Dadurch daß Sie um meinetwillen so grausame Beleidigungen von meinem Vater mit Geduld hingenommen, haben Sie mir eine Verbindlichkeit auferlegt, die ich Ihnen niemals vergessen werde. Da Sie seine Gemütsart kennen, [283] so bitte ich Sie, vermeiden Sie ihn, um meinetwillen. Ich wünschte, ich könnte Ihnen etwas sagen, das Sie aufzurichten vermöchte: doch glauben Sie mir dies einzige: daß nichts in der Welt, als die äußerste Gewalt mich zwingen wird, meine Hand oder mein Herz auf eine Art vergeben zu lassen, die Ihnen Betrübnis verursachen könnte.«
     
    Jones überlas diesen Brief wohl hundertmal, und küßte ihn noch hundertmal so oft. Seine Leidenschaft brachte nun in sein Herz alles zärtliche Verlangen zurück. Er bereute, daß er auf die Art an Sophien geschrieben, wie wir oben angezeigt haben; noch mehr aber bereute er, daß er die Zeit der Abwesenheit des Boten dazu angewendet hatte, an Herrn Alwerth einen Brief zu schreiben und abzuschicken, in welchem er treulich versprochen und angelobt hatte, alle Gedanken an seine Liebe fahren zu lassen. Als er indessen wieder zu kälterer Ueberlegung gelangte, sah er ganz deutlich ein, daß seine Umstände durch Sophiens Billet weder verändert noch verbessert wären; das einzige ausgenommen, daß sie ihm einen kleinen Strahl von Hoffnung auf ihre Beständigkeit bei künftigen günstigeren Zufällen gegeben hätte. Er faßte also wieder seine vorige Entschließung, nahm Abschied vom schwarzen Jakob und reiste weiter nach einem etliche Meilen von da gelegenen Städtchen, wohin er Herrn Alwerth gebeten hatte ihm seine Sachen nachzusenden, wofern es ihm nicht gefallen sollte, sein Urteil zurückzunehmen.

Dreizehntes Kapitel.
    Sophiens Benehmen bei gegenwärtigen Umständen, welches keine Person von ihrem Geschlechte tadeln wird, die fähig ist, sich ebenso zu benehmen, und die Untersuchung eines verwickelten Knotens vor dem Richterstuhle des Gewissens.
     
    Sophie hatte die letzten vierundzwanzig Stunden eben nicht auf die angenehmste Weise zugebracht. Während eines großen Teils derselben war sie von ihrer Tante mit Vorlesungen über die Klugheit unterhalten worden, worin sie ihr das Beispiel der feinen Welt empfahl, in welcher (so sagte die gute Dame) gegenwärtig die Liebe völlig verlacht wird, und worin die Damen den Ehestand ebenso, wie die Herren die Aemter betrachten, durch welche ihnen die Verwaltung öffentlicher Gelder anvertraut ist; nämlich bloß als Mittel ihr Glück zu machen und sich emporzuschwingen. In Erklärung dieses Textes hatten Ihro Gnaden, Fräulein Tante von [284] Western, verschiedene Stunden hindurch dero Beredsamkeit zu Tage gelegt.
    Dieser gründliche Unterricht, so wenig er auch dem Geschmacke oder der Neigung Sophiens angemessen sein mochte, war ihr doch weniger lästig als ihre eigenen Gedanken, welche des Nachts ihre Unterhaltung ausmachten, während welcher sie kein Auge schloß.
    Allein obgleich sie in ihrem Bette weder schlafen noch ruhen konnte, so hatte sie doch auch nichts außer demselben zu schaffen, und ihr Vater fand sie noch darin, als er von Herrn Alwerths Hause zurückkam, und das war schon nach zehn Uhr des Morgens. Er ging geradeswegs hinauf nach ihrem Zimmer, machte die Thüre auf, und da er fand, daß sie noch nicht aufgestanden wäre, schrie er: – »Hoho! bist also noch 'n Sicherheit; und in Sicherheit sollst' mir bleiben, davor will 'ch sorgen.« Darauf verschloß er die Thüre und gab Jungfer Honoria den Schlüssel, nachdem er ihr vorher die strengsten Befehle gegeben hatte, nebst großen Versprechungen von Belohnung ihrer Treue und schrecklichen Bedrohungen mit Strafen, woferne sie das ihr anvertraute Amt untreu verwalten würde.
    Honorias erhaltene

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