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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Instruktion ging dahin: nicht zuzugeben, daß ihre Herrschaft ohne vom Junker selbst vorher eingeholte Erlaubnis aus dem Zimmer ginge; und niemand zu ihr hinein zu lassen, als ihn selbst und ihre Tante. Sie selbst aber solle ihr alles reichen, was Sophien beliebte, ausgenommen Tinte, Feder und Papier, deren Gebrauch gänzlich untersagt war.
    Der Junker befahl seiner Tochter sich anzukleiden und mit ihm am Tische zu essen. Sie gehorchte; und nachdem sie die übliche Zeit gesessen hatte, ward sie wieder nach ihrem Gefängnis geführt.
    Gegen Abend brachte ihr die Schließerin Honoria den Brief, welchen sie vom Wildmeister empfangen hatte. Sophie las ihn sehr aufmerksam zwei- oder dreimal durch, warf sich darnach auf ihr Bett und brach in eine Thränenflut aus. Jungfer Honoria bezeigte über dies Bezeigen ihrer Herrschaft ihre große Verwunderung. Sie konnte sich auch nicht enthalten, sehr begierig nach der Ursache dieser Gemütsbewegung zu forschen. Eine Zeitlang gab ihr Sophie keine Antwort und darauf sprang sie plötzlich auf, faßte ihre Jungfer bei der Hand und rief aus: »O Nore, Nore, ich bin verloren!« – »Behüt' und bewahr'!« schrie Honoria. »Ich wollt' der Brief wär' im Feuer verbrannt, eh'r ich 'n 'R Gnaden gebracht hätt'. Mein'r Ehr', wenn 'ch nicht meint', er sollt' 'R Gnaden Trostzuspruch gebracht hab'n; 'ch hätt' sonst lieber heiße Kohlen angegriff'n, als den Hiobsbrief den!« – »Honoria,« sagte Sophie, »Sie ist ein gutes Mädchen! Und es ist vergebens, daß ich mich bemühe, meine Schwachheit länger vor Ihr zu verhehlen! Ich habe mein Herz [285] weggeworfen an einen Mann, der mich nun verläßt.« – »So! Ist Herr Jones,« antwortete die Jungfer, »ein so meineidischer Mann?« – »Er hat in diesem Brief Abschied – auf ewig – von mir genommen,« sagte Sophie; »ja, er verlangt von mir, ich soll ihn vergessen! Könnt' er das verlangt haben, wenn er mich geliebt hätte? Könnt' ihm ein solcher Gedanke eingefallen sein? Könnt' er ein solches Wort geschrieben haben?« – »Nein, mein'r Ehr' nicht! 'R Gnaden,« schrie die Zofe. »Und vorwahr, wenn d'r beste Mann im Reich mir sagt' ich sollt'n vergessen, so dächt' ich, seht doch, was mir biß, und thät'n sein'n Willen! Mein'r Ehr, gnädigs Frölen hab'n ihn 'n Haufen zu viel Ehr angethan, daß Sie nur mal an 'n gedacht hab'n. Eine so scharmante Frölen, die d'Wahl hat, unter 'n besten jungen Herrn in der ganzen Christenheit auf Erden. Und vorwahr, wenn 'ch so dreistig sein darf, 'R Gnad'n mein' geringe Meinung zu sag'n: so ist dar ja Herr Junker von Blifil, der nach oben drein, daß er so zu sag'n von honetten Eltern geboren ist, und wird auch noch 'mal der reichste Junker im Land' weit und breit, und dann so ist er, nach mein'r Meinung, so wahr ich Honoria heiße, ein viel viel hipscher Mann, und weiß viel besser zu leb'n; und darzu ist 'r so 'n sittzamer jung'r Herr, und so ehrbar, und kann all Nachbarn herausfod'rn, ob sie was an 'n zu mäkeln wiss'n und könn'n; läuft nicht hinter 'n Schmutznickels her, und hat kein' Pankerte aufzufüttern. Ei seht mir 'mal, vergessen! Nu Gott Lob und Dank! ich meins Parts, bin noch nicht so weit in mein letztes Gebet kommen, daß mich 'n Mann zweimal um Vergeben und Vergessen bitten sollt'! Der allerbeste Mannsen, der 'n Hut aufsetzt, wenn 'r sich's unterständ', solch 'n grobes Wort zu mir zu sag'n, ja vorwahr! wenn ich 'n an mein' Seit' wieder komm'n ließ', so lang' noch ein and'r junger Mensch im Reich zu finden wär! Mein'r Ehr, ja, wie 'ch gesagt hab!« »Dar ist der Herr Junker von Blifil« – »Nenne Sie mir den verhaßten Namen nicht nocheinmal,« rief Sophie, »das sag' ich Ihr.« – »Nu, so! gut! ja, wenn 'n 'R Gnaden nicht leiden könn'n, so gibt's ja noch mehr wackere hipsche junge Herrn, die 'R Gnaden die Kuhre machen werd'n, wenn sie nur 'n bischen Hoffnung merken. Mein'r Ehr! Ich sollt' nicht denk'n, daß 'n einz'ger junger Junker in'r Grafschaft wär', und in'r nächsten darzu, der nicht gleich komm'n sollt', wenn 'R Gnaden nur so ein bischen aussehn woll'n, so, als ob Sie wohl Lust zu ihn'n hätten, und sollt gleich anwerben.« – »Mädchen! für was für ein elendes Ding hält Sie mich,« unterbrach sie Sophie, »daß Sie mir die Ohren mit solchem Gewäsch vollschwätzt! – Ich hasse alles, was Mann heißt.« – »Ja, freilich wohl! 'R Gnaden hab'n schon gnug darvon gehabt, um sich den Magen zu [286] verderb'n. – Sich so zu mißhandeln lassen von 'm armen, lumpigten

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