Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
was man Ihnen von meinem Unglück erzählen wird, auch nur einen Augenblick betrüben; denn, nachdem ich, Sophie, dich verloren habe, ist alles auf der Welt für mich nur Kleinigkeit.
O, meine Sophie! Es ist hart, Sie verlassen müssen; härter [281] ist's noch, unendlich härter, Sie bitten müssen, daß Sie mich vergessen mögen, und doch zwingt die aufrichtigste Liebe mich zu beidem! Verzeihen Sie mir, Vortrefflichste, meine Einbildung, daß das Andenken an mich Sie beunruhigen könne. Wenn ich aber so namenlos elend bin, so opfern Sie mich in jedem Verstande auf, um ruhig zu werden. Denken Sie, ich habe Sie nie geliebt, oder denken Sie wahrer und richtiger, wie wenig ich Sie verdiente; und lernen Sie mich wegen einer Kühnheit verachten, die nicht zu strenge bestraft werden kann – ich bin unvermögend, ein meherers zu sagen – O ihr Engel des Himmels, beschützt die beste ihres Geschlechts!«
Er suchte nun in seinen Taschen nach Siegellack, fand darin aber weder dies, noch sonst etwas; denn wirklich hatte er in seinem rasenden Ungestüm alles von sich geworfen, und unter andern auch sein Taschenbuch, das er von Herrn Alwerth empfangen, aber bis dahin noch nicht geöffnet hatte, und welches ihm jetzt erst wieder in die Gedanken kam.
Er fand in dem Hause eine Oblate für den gegenwärtigen Gebrauch; und als er damit seinen Brief versiegelt hatte, kehrte er eilig zurück, nach der Stelle am Bache, um die Sachen zu suchen, welche er verloren hatte. Auf'm Wege dahin begegnete er seinem alten Freunde, dem schwarzen Jakob, welcher sein Unglück herzlich bedauerte; denn dies war ihm bereits zu Ohren gekommen, und in der That nicht nur ihm allein, sondern der ganzen Nachbarschaft umher.
Jones erzählte dem Wildmeister seinen Verlust, und er kehrte ganz bereitwillig wieder mit ihm um, nach dem Bache zu, wo sie jeden Grasbüschel auf der ganzen Wiese umher durchsuchten, sowohl da, wo Jones gewesen, als da wo er nicht gewesen war; aber alles vergebens, denn sie fanden nichts. Wirklich waren damals zwar die Sachen auf der Wiese, aber sie vergaßen den einzigen Ort zu durchsuchen, wo sie versteckt waren, nämlich in den Taschen des besagten Jakob; dieser hatte sie kurz vorher gefunden, und da er glücklicherweise ihren Wert entdeckt hatte, so bewahrte er solche höchst sorgfältig für seinen eigenen Gebrauch.
Nachdem der Wildmeister ebenso emsigen Fleiß im Suchen der verlorenen Sachen gezeigt hatte, als ob er gehofft hätte sie zu finden, bat er Herrn Jones sich zu besinnen, ob er nicht an einem andern Orte gewesen sei. »Denn,« sagte er, »wenn Sie die Sachen erst so kürzlich hier verloren hätten, so müßten sie sich noch finden lassen, weil an diese Stelle so leicht niemand herkommt.« Und in der That war es durch ein großes Ungefähr, daß er selbst hieher gewankt war, um Drahtschleifen zuzurichten, weil er einem Wildhändler [282] auf den folgenden Morgen einige Hasen unter der Hand zu liefern versprochen hatte.
Jones gab nunmehr alle Hoffnung auf, sein Verlornes wieder zu erhalten, und so auch fast jeden Gedanken daran; er wendete sich somit an den schwarzen Jakob und fragte ihn ernsthaft, ob er ihm den größten Gefallen in der Welt thun wolle?
Jakob Seegrim antwortete ein wenig bedenklich: »Herr Jones, Sie wissen, Sie dürfen nur befehlen! alles, was in meiner Macht steht! und ich wollte herzlich wünschen, daß es in meiner Macht stände, Ihnen womit zu dienen.« In der That machte ihn die Frage ein wenig stutzig; denn er hatte durch heimlichen Wildhandel in Herrn Westerns Diensten eine artige Summe Geldes gesammelt, und so war ihm angst, Jones möchte ihn ansprechen wollen, ihm eine Kleinigkeit zu leihen. Aus dieser Angst ward er bald dadurch gerettet, daß er gebeten wurde, Sophien einen Brief zu überbringen, was er mit großem Vergnügen zu thun versprach. Und ich glaube wirklich, es gibt wenige Gefälligkeiten, die er Herrn Jones nicht gerne und willig erwiesen hätte; denn er war so erkenntlich gegen ihn, als er sein konnte, und er war ein ebenso ehrlicher Kerl als alle solche, die das Geld allen übrigen Dingen in der Welt vorziehen, gemeiniglich zu sein pflegen.
Jungfer Honoria war nach beider Meinung die schicklichste Person, durch welche der Brief in Sophiens Hände gebracht werden müßte. Hierauf schieden sie von einander, der Wildmeister kehrte heim nach Herrn Westerns Hause, und Jones ging nach einem Wirtshause in der Nähe, um daselbst auf die Zurückkunft seines Boten zu
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