Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
Herr kann noch immer eine Gemahlin bekommen. Das ist gewiß, wenn ich so wäre wie Sie, das feinste Frauensbild, das nur immer einen Kopf auf ihren Schultern hätte, wollt' ich lieber aufhängen sehn als mich ihrentwegen zum Soldaten anwerben zu lassen. – Oho Herr, werden Sie nur nicht so rot!« (wirklich er ward es in einem hohen Grade) »Ei, ei! Sie dachten wohl, ich wüßte nichts um die Sache, nicht wahr, mit dem Fräulein Sophie?« – »Wie!« sagte Jones und sprang dabei auf, »kennen Sie meine Sophie?« – »Was sollt' ich nicht? was sollt' ich nicht?« schrie die Wirtin. »Ein manch' schönes Mal hat sie in meinem Hause geschlafen.« – »Mit ihrer Tante vermutlich?« sagte Jones. – »Richtig, das haben Sie getroffen!« schrie die Wirtin; »o, ja doch! Ich kenne die alte Dame sehr gut. Ein süßes, liebes Geschöpf ist die Fräulein Sophie.« – »Ein süßes Geschöpf!« seufzte Jones. »O Himmel!«
»Angels are painted fair to look like her.
There's in her all that we believe of Heaven,
[68]
Amazing Brightness, Purity and Truth,
Eternal Joy, and everlasting Love.«
»Damit ein Engel schön sei, malt man ihn
Ihr ähnlich. Was man sich im Himmel denkt,
Glanz, Schönheit, Unschuld, Treue, Zärtlichkeit,
Ewig Entzücken, ew'ge Liebe, wohnt
In ihr! in ihr!« –
»Und hätt' ich mir einbilden können, daß Sie meine Sophie gesehen hätten!« »Ich wünschte,« sagte die Wirtin, »Sie hätten nur halb so viel von ihr gesehen! Was hätten Sie drum geben sollen, wenn Sie so wie ich vor ihrem Bette hätten sitzen können. Was sie für einen weißen, reizenden Busen hat, ihre lieben Glieder haben sich da in dem Bette gedehnt, darin Sie jetzt liegen.« – »Hier!« rief Jones, »hat Sophie jemals hier geschlafen?« – »Ei, ei, das sollt' ich meinen! Ja wohl, hier, da in dem nämlichen Bette!« sagte die Wirtin, »worin Sie sie, wenn ich sie herwünschen könnte, diesen Augenblick bei sich haben sollten, und das mag sie wohl auch wünschen, oder ich verstehe mich auf so was ganz und gar nicht! Denn sie hat mir Ihren Namen genannt.« – »Ha!« schrie er, »hat sie jemals vom armen Jones mit Ihnen gesprochen? Sie schmeicheln mir da, das ist zu viel! Das kann ich nicht glauben!« – »Nun sehen Sie,« antwortete sie, »ich will nicht zu Gnaden kommen und der Teufel soll mich von der Stelle holen, wenn ich nur ein gebenedeites Wörtchen mehr sage, als die Wahrheit ist! Ich habe sie den Herrn Jones nennen hören, aber in allen Züchten und Ehren, das muß ich bekennen; doch merkt' ich wohl dabei, daß sie viel mehr dachte, als sie sagte.« – »O, meine teuerste Frau Wirtin, ich bin ihres Andenkens an mich nicht wert und werd's niemals werden! O, es ist lauter Sanftmut, Güte und Großmut. Warum ward ein solcher Taugenichts wie ich geboren, um ihrer edlen Brust nur einen Augenblick Unruhe zu verursachen! Warum mußt ich dazu verdammt sein? Ich, der gern alle Plagen und allen Jammer, die nur je ein Teufel, die Menschen zu quälen, erfunden hat, aushalten wollte, um ihr Wohlsein zu befördern! ja die Tortur selbst sollte mir kein Unglück scheinen, wüßte ich nur, daß sie glücklich wäre.« – »Ja nun, da haben wir's!« sagte die Wirtin, »ich hab's ihr wohl gesagt, daß Sie ein beständiger, treuer Liebhaber wären.« – »Aber ich bitte, Madame, sagen Sie mir doch, wie, wann oder wo Sie etwas von mir erfahren haben? Denn ich war noch niemals hier, erinnere mich auch nicht, Sie jemals gesehen zu haben.« – »Das war auch freilich nicht möglich,« antwortete sie, »denn Sie waren nur noch so ein klein Dingelchen, als ich Sie in des Junkers Hause auf'm Schoß [69] hielt.« – »Wie, in des Junkers Hause!« sagte Jones. »So kennen Sie den edlen und vortrefflichen Herrn Alwerth auch?« – »He! liebste Zeit, wie sollt' ich den nicht kennen? Wer ist in dieser Grafschaft, der ihn nicht kennt?« – »Der Ruf von seinem edlen Herzen,« antwortete Jones, »muß freilich viel weiter gedrungen sein; aber der Himmel nur allein kann ihn kennen, kann die wohlthätigen Gesinnungen kennen, welche er nach sich selbst bildete und als ein Muster nach ihm auf Erden sandte. Menschenkinder können diese himmlische Güte ebensowenig erkennen, als sie ihrer würdig sind. Aber, wer ist ihrer weniger würdig, als ich selbst! Ich, den er zu einer solchen Höhe erhob, mich aufnahm, wie Ihnen wohl bekannt sein muß, als ein armes, ausgesetztes Kind, mich zum Kinde annahm und als seinem eigenen Sohne
Weitere Kostenlose Bücher