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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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begegnete! Ich mußte ihn durch meine Thorheiten betrüben, mußte seinen Zorn auf mich laden! Ja, ich verdiene es alles; denn so undankbar will ich niemals werden, nur zu denken, er habe im geringsten unrecht an mir gehandelt. Nein, ich hab' es wohl verdient, daß er mich von seinem Angesichte und aus seinem Hause verstoßen hat; ich hab' es wohl verdient! Und nun Madame,« sagte er, »glaube ich, werden Sie mich nicht tadeln, daß ich den Soldatenstand ergreife; besonders bei einem solchen Reichtum wie dieser.« Bei welchen Worten er einen Geldbeutel schüttelte, in welchem sich freilich nur sehr wenig befand, welches aber der Wirtin als noch weniger vorkam.
    Die gute Wirtin war durch den letzten Teil von Jones' Rede (mit dem gemeinen Manne zu reden) wie vorn Kopf geschlagen. Sie antwortete ganz kalt: »Das ist wahr, die Leute müssen selbst am besten wissen, was sich für ihre Umstände schickt oder nicht – Aber horch!« sagte sie, »ich glaube, ich höre jemand rufen.« – »Ich komme schon, ich komme schon! Der Satan steckt in allen meinen Leuten! Das gottlose Zeug hat gar keine Ohren! Ich muß hinunter gehn. Wenn Sie noch mehr zum Frühstück verlangen, so soll die Liesel heraufkommen. – Ja doch! ich komme schon.« Bei welchen Worten sie, ohne weiter Abschied zu nehmen, zur Thür hinausflog, denn Leute von der gemeinern Gattung sind sehr haushälterisch mit ihrem Respekt, und ob sie sich gleich nichts daraus machen, Personen vom hohen Adel solchen ganz umsonst hinzugeben, so lassen sie doch keinen Menschen von ihrer eigenen Klasse davonkommen, ohne dafür zu sorgen, daß ihnen ihre Mühe reichlich bezahlt werde.

[70] Drittes Kapitel.
    In welchem der Wundarzt seine zweite Aufwartung macht.
     
    Bevor wir weiter gehen, wird es nötig sein, den Leser, welcher sich vielleicht irrigerweise einbildet, daß die Wirtin wirklich mehr gewußt habe als der Fall war, oder sich vielleicht wundert, daß sie so viel wußte, zu benachrichtigen, wie der Leutnant ihr erzählt hatte, daß der Name Sophiens Veranlassung zu dem Zanke gegeben hätte, und was das übrige ihres Wissens anbelangt, so wird der scharfsinnige Leser von selbst bemerken, wie sie in der vorhergehenden Szene dazu gelangte. In der That war ihren übrigen Tugenden eine große Portion Neugierde beigemischt, und mit Wissen und Willen litt sie nicht, daß jemand ihr Haus verließ, ohne daß sie sich vorher so viel als möglich nach seinem Namen, seiner Familie und seinen Glücksumständen erkundigt hätte.
    Sie war nicht so bald fortgegangen, als Jones, anstatt über ihre Aufführung Anmerkungen zu machen, seine Gedanken damit beschäftigte, wie er in demselben Bette läge, in welchem, wie ihm gesagt worden, seine teure Sophie geschlafen hätte. Dies erregte bei ihm tausend verliebte und zärtliche Ideen, bei welchen wir uns länger aufhalten würden, wenn wir nicht bedächten, daß solche Art von Verliebten nur einen höchst unbedeutenden Teil von unsern Lesern ausmachen wird.
    In dieser Gemütslage fand ihn der Wundarzt, als er kam, die Wunde zu verbinden. Da der Doktor bei seiner Untersuchung fand, daß der Puls unrichtig ging, und vernommen hatte, daß sein Patient nicht geschlafen habe, bezeugte er, daß er in großer Gefahr wäre: denn er befürchte, es sei ein Fieber im Anzuge, und diesem wolle er doch durch einen Aderlaß zuvorkommen. Darein aber wollte Jones nicht willigen, wobei er äußerte, er habe bereits Blut genug verloren; »und lieber Doktor,« sagte er, »wollen Sie nur so gütig sein und mir den Kopf verbinden, so zweifle ich nicht, ich werde in ein oder ein paar Tagen völlig gesund sein.«
    »Ich wollte,« antwortete der Wundarzt, »ich könnte Sie versichern, daß Sie in einem oder ein paar Monaten hergestellt sein würden. Gesund! In der That! Nein, man wird nicht so schnell wieder gesund von solchen Kontusionen! Aber, mein Herr, ich bin viel zu alt dazu, mir meine Operation von einem Patienten vorschreiben zu lassen, und ich besteh' auf einer Revulsion, ehe ich Sie verbinde.«
    Jones bestand hartnäckig auf seiner Meinung und der Doktor gab zuletzt nach, sagte ihm aber dabei, er wolle für die Folgen nicht verantwortlich sein und hoffe, er werde ihm die Gerechtigkeit widerfahren [71] lassen, zu bekennen, daß er ihm zum Gegenteile geraten habe, welches denn der Patient zu thun versprach.
    Der Doktor verfügte sich hinunter in die Küche, wo er sich an die Wirtin wendete und sich sehr bitter über das widerspenstige Betragen seines

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