Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
Libation nichts beitrug, ausgenommen, daß er durch seine Gegenwart und Amtsverrichtung die Handlung um so feierlicher machte.
Die guten Leute setzten sich nun allesamt um das Küchenfeuer herum, woselbst gesellige Fröhlichkeit durchaus zu walten schien, und Rebhuhn vergaß nicht nur seine schimpfliche Niederlage, sondern verwandelte auch seinen Hunger in Durst und begann sehr bald außerordentlich witzig und drollig zu werden. Wir müssen gleichwohl diese angenehme Gesellschaft auf eine Weile verlassen und Herrn Jones nach Madame Waters' Zimmer begleiten, woselbst das Mittagessen, das er bestellt hatte, nunmehr auf dem Tische stand. In der That erforderte es nicht viel Zeit, dieses Mahl anzurichten, da es schon seit drei Tagen völlig fertig gestanden hatte und weiter nichts bedurfte, als daß es die Köchin von neuem aufwärmte.
Fünftes Kapitel.
Eine Schutzrede für alle Helden, welche sich bei guter Eßlust befinden, nebst der Beschreibung eines Zweikampfs von der verliebten Gattung.
Was für eine hohe Meinung die Helden, durch Schmeichler verwöhnt, von sich selbst haben, oder in welch erhabenem Licht sie [165] auch bei der Welt stehen mögen, so haben sie doch immer mehr von menschlicher als bloß geistiger Natur an sich. Sei ihr Geist auch noch so erhaben, so ist doch wenigstens ihr Körper (und der macht bei den meisten noch immer den vornehmsten Teil aus) den niedrigsten Bedürfnissen und den gemeinsten Verrichtungen der menschlichen Natur unterworfen. Unter diese letzten gehört die Handlung des Essens, welche von verschiedenen weisen Männern als niedrig und gemein, und der philosophischen Würde für unanständig geachtet worden ist und dennoch gewissermaßen von den größten Fürsten, Helden oder Philosophen auf dem Erdboden verrichtet werden muß. Ja zuweilen hat die Natur ihren Spaß so weit getrieben, daß sie von diesen, mit der höchsten Ehre bekleideten Personen einen weit übertriebnern Grad dieses Frohndienstes erzwungen, als sie den Menschen von der niedrigsten Klasse aufgelegt hatte.
So viel ist gewiß, sowie kein bekannter Bewohner dieses Erdballs dem Wesen nach mehr ist als ein Mensch, so sollte auch niemand sich schämen dürfen, sich demjenigen zu unterwerfen, was die Bedürfnisse eines Menschen erheischen. Wenn aber solche erhabne Personen, deren ich eben erwähnt habe, sich so weit herablassen, diese niedrigen, gemeinen Verrichtungen bloß und allein auf sich selbst einschränken zu wollen (wie es denn ihre Willensmeinung zu sein scheint, durch ihre Verheerungen und Verwüstungen alle übrige Menschen von der Verrichtung des Essens zu befreien): so werden sie wirklich sehr gemein, niedrig und verächtlich.
Nach dieser kurzen Vorrede halten wir es also für keine Herabwürdigung unsers Helden, wenn wir der übermäßigen Hitze erwähnen, womit er bei dieser Gelegenheit zu Werke ging. Man darf es in der That bezweifeln, ob Ulysses (welcher im Vorbeigehen gesagt, der eßlustigste von allen Helden in dem mahlzeitreichen Gedichte, genannt Odyssee, gewesen zu sein scheint) jemals eine tüchtigere Mahlzeit gethan hat.
Drei Pfund zum wenigsten von dem Fleische, welches vorhin das Ganze eines Ochsen ausmachen half, hatten jetzt die Ehre, einen Teil von Herrn Jones' leibhafter Person ausmachen zu helfen.
Wir haben uns verbunden erachtet, dieses besondern Umstandes zu gedenken, weil solcher über die kurzwährende Vernachlässigung seiner schönen Gefährtin einen Aufschluß geben kann, welche nur sehr wenig aß und wirklich mit Gedanken von einer ganz andern Art beschäftigt war, auf welche Jones nicht eher merkte, bis er den Appetit völlig gestillt, den ihm ein vierundwanzigstündiges Fasten verschafft hatte. Er hatte aber nicht so bald seine Mahlzeit vollendet, als seine Aufmerksamkeit auf andre Dinge wieder erwachte. Wir [166] wollen also dazu schreiten, unsern Leser nunmehr mit diesen andern Dingen bekannt zu machen.
Herr Jones, von dessen persönlichen Vollkommenheiten wir bisher nur noch wenig gesagt haben, war nach aller Wahrheit eine der schönsten jungen Mannspersonen von der Welt. Ueberdem daß sein Gesicht ein Bild der Gesundheit selbst war, hatte es auch noch die auffallendsten Züge von Sanftmut und Menschenfreundlichkeit. Diese Eigenschaften leuchteten wirklich so auszeichnend aus seiner Gesichtsbildung hervor, daß, wenn auch die Lebhaftigkeit und der Verstand in seinen Augen (welche allerdings der Beobachtung eines etwas genauen Bemerkers nicht entgehen konnten) von
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